- Nationaler Aktionsplan gegen Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit
- Bekämpfung von Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung
- Bund-Länder-Arbeitsgruppe
- Servicestelle gegen Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel
- Internationale Zusammenarbeit
Menschenhandel, Zwangsarbeit und Arbeitsausbeutung sind keine fernliegenden Missstände, sondern leider auch in Deutschland soziale Realität, von der insbesondere mobile Arbeitskräfte betroffen sind. Im Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode, der am 5. Mai 2025 von den Regierungsparteien CDU, CSU und SPD unterzeichnet wurde, verpflichtet sich die Bundesregierung, „im Rahmen der Erwerbsmigration Arbeitnehmerrechte [zu] schützen und Missbrauch konsequent [zu] bekämpfen“ (Z. 434 f.). Um Zwangsarbeit, Arbeitsausbeutung und Menschenhandel zu verhindern und wirksam zu bekämpfen, den Schutz der Opfer zu gewährleisten und Unterstützungssysteme zu verbessern, verfolgt die Bundesregierung eine ressortübergreifende Handlungsstrategie, die auf verschiedenen Bausteinen beruht.
Nationaler Aktionsplan gegen Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit
Die Bundesregierung hat am 12. Februar 2025 einen Nationalen Aktionsplan gegen Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit (NAP A/Z) beschlossen. Damit wird unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales erstmals eine nationale Strategie zur Prävention und Bekämpfung von Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit vorgelegt und insbesondere völkerrechtliche Verpflichtungen erfüllt, die Deutschland insoweit gegenüber der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hat. Der NAP A/Z verfolgt einen präventiven sowie arbeitsmarktorientierten Ansatz mit dem Ziel, ausbeuterische und erzwungene Beschäftigungsverhältnisse bereits in der Entstehung zu verhindern und entsprechende Risiken durch zielgerichtete Maßnahmen zu minimieren.
Die insgesamt 83 Maßnahmen des NAP A/Z betreffen schwerpunktmäßig:
- die Förderung und Ausweitung gezielter, niedrigschwelliger Informations-, Beratungs- und Unterstützungsangebote für Arbeitskräfte,
- die grenzüberschreitende Vernetzung und internationale Zusammenarbeit von verschiedenen Akteuren am Arbeitsmarkt,
- sowie die zielgerichtete Sensibilisierung von Behörden, Sozialpartnern und Unternehmen für bestehende Missstände.
Maßnahmen in den vier Handlungsfeldern (Arbeitskräftegewinnung, Arbeitnehmerrechte und deren Durchsetzung, Arbeitsbedingungen, Arbeitsschutz und staatliche Kontrolle sowie Unternehmensverantwortung) sollen Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit künftig stärker bekämpfen. Der Nationale Aktionsplan wird seit Frühjahr 2025 umgesetzt und zusammen mit den Ländern, Sozialpartnern und Zivilgesellschaft kontinuierlich weiterentwickelt.
Entscheidend für den Gesamterfolg des NAP A/Z ist dabei die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Daher haben auch die Länder insgesamt 125 Maßnahmen in eigener Zuständigkeit entwickelt.
Bekämpfung von Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung
Parallel zur Entwicklung des NAP A/Z hat die Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode einen Nationalen Aktionsplan zur Prävention und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer (NAP MH) erarbeitet, der vom BMBFSFJ koordiniert und im Dezember 2024 im Kabinett verabschiedet wurde. Der NAP MH adressiert sämtliche Formen des Menschenhandels und legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Strafverfolgung. Das BMAS engagiert sich im Rahmen seiner Zuständigkeiten dabei für die Bekämpfung des Menschenhandels insbesondere in seiner Form des Menschenhandels zum Zweck der Arbeitsausbeutung. Der NAP A/Z und der NAP MH wurden während ihrer jeweiligen Entwicklungsprozesse intensiv miteinander abgestimmt und rückgekoppelt. Damit ist gewährleistet, dass beide Aktionspläne in einem wechselseitigen Bezugsrahmen stehen und eine kohärente, wirksame Handlungsstrategie gegen Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel darstellen.
Bund-Länder-Arbeitsgruppe
Ein wichtiges Gremium, um unterstützende Strukturen zu schaffen und um sowohl den Opferschutz als auch die Zusammenarbeit auf nationaler Ebene zu verbessern, ist die Bund-Länder-Arbeitsgruppe (B-L-AG) zur Bekämpfung von Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung. Mitglieder dieser Arbeitsgruppe sind Vertreter*innen der zuständigen Ministerien und Senatsverwaltungen von Bund und Ländern, der ASMK (Konferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren für Arbeit und Soziales), des Bundeskriminalamtes, der Gewerkschaften und Arbeitgeber sowie der Fachberatungsstellen für Opfer von Menschenhandel sowie andere beteiligte Akteure. Außerdem sind dort das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) sowie Vertreter*innen von Zivilgesellschaft und Wissenschaft vertreten.
Servicestelle gegen Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel
Um den Auf- und Ausbau bundesweiter nachhaltiger Kooperationsstrukturen zur Prävention von Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel, den Schutz von Betroffenen und die effektive Strafverfolgung der Täter zu unterstützen, fördert das BMAS seit 2017 die Servicestelle gegen Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel (Servicestelle). Die Servicestelle führt insbesondere Schulungen durch, um verschiedene Behörden und weitere Akteure im Umgang mit Betroffenen von Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel zu sensibilisieren. Durch diese Schulungen sowie ein von der Servicestelle entwickeltes E-Learning-Tool werden insbesondere Ermittlungs- und Kontrollbehörden am Arbeitsmarkt befähigt, Opfer von Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel zu identifizieren und mit weiterführenden Hilfs- und Beratungsangeboten zu unterstützen. Diese und weitere Maßnahmen haben Eingang in den NAP A/Z gefunden, bei dessen Umsetzung die Servicestelle intensiv eingebunden ist.
Ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt der Servicestelle liegt auf der Veröffentlichung von Analysen zu besonders risikobehafteten Branchen, wie beispielsweise dem Reinigungsgewerbe, Straßentransport, landwirtschaftlicher Saisonarbeit, häuslicher Pflege sowie der Paketbranche und Fleischindustrie. Vor allem ausländische Arbeitskräfte sind aufgrund vielfach fehlender Sprach-, Rechts- und Systemkenntnisse in diesen Branchen in erhöhtem Maße gefährdet, Opfer von Arbeitsausbeutung oder Zwangsarbeit zu werden. Diese Analysen tragen erheblich dazu bei, die in der jeweiligen Branche vorherrschenden Ausbeutungspraktiken und deren Verschleierung besser verstehen und einordnen zu können. Darüber hinaus enthalten die Analysen konkrete Empfehlungen, wie Zwangsarbeit und Arbeitsausbeutung erkannt und verhindert werden können.
Auf ihrem Online-Fachportal stellt die Servicestelle die Branchenanalysen, ferner Rechtsgutachten sowie umfangreiche praxisnahe Materialien und Informationen zu den Themen Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel zur Verfügung.
Das dort eingestellte juristische Glossar trägt dazu bei, die Strafverfolgung von Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel zu verbessern. Außerdem können über eine umfangreiche Datenbank spezialisierte Beratungsstellen in verschiedenen Bundesländern recherchiert und gefunden werden.
Internationale Zusammenarbeit
Menschenhandel findet insbesondere grenz- und länderübergreifend statt und ist deswegen besonders schwierig zu bekämpfen. Umso wichtiger sind die internationale Zusammenarbeit und eine Koordinierung der nationalen Strategien auf europäischer Ebene. Deutschland unterhält daher vielfältige Kooperationsbeziehungen und arbeitet insbesondere eng mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), dem Europarat und dem Ostseerat zusammen.
Die Verpflichtung Deutschlands, seine Bekämpfung von Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit im nationalen und internationalen Kontext noch weiter zu intensivieren, ergibt sich aus verschiedenen internationalen Vereinbarungen.
So folgt aus dem ILO-Protokoll von 2014 zum Übereinkommen Nr. 29 über Zwangsarbeit die besondere Verpflichtung, einen innerstaatlichen Aktionsplan zur wirksamen und dauerhaften Beseitigung von u. a. Zwangsarbeit sowie Menschenhandel zu entwickeln. Dieses Protokoll hat Deutschland 2019 ratifiziert.
Zudem ist Deutschland im Rahmen der sogenannten Alliance 8.7 seit 2017 Mitglied und seit 2023 Pathfinder-Land. Die Alliance 8.7 ist ein von der ILO mitinitiiertes globales Bündnis aus ILO, Partnerländern, Nichtregierungsorganisationen und Sozialpartnern, das sich im Rahmen der Agenda 2030 der Vereinten Nationen verschrieben hat, das Nachhaltigkeitsziel 8.7 (SDG 8.7) zur Abschaffung von u. a. Zwangsarbeit und Menschenhandel (bis 2030) zu erfüllen. Die von Deutschland für den Erhalt des Pathfinder-Status entwickelte nationale Roadmap sieht unter anderem die Entwicklung eines Nationalen Aktionsplans als konkrete und wirksame Maßnahme zur Erreichung des Nachhaltigkeitsziels 8.7 vor. Mit dem NAP A/Z setzt Deutschland insofern sein bisheriges starkes politisches Engagement im Rahmen der Alliance 8.7 unvermindert fort und erfüllt seine Verpflichtungen aus dem ILO-Protokoll über Zwangsarbeit.