Ausgehend vom Bericht der Hartz-Kommission ist die Arbeitsverwaltung in Deutschland seit 2002 grundlegend umgebaut worden mit dem Ziel, einen "modernen Dienstleister" am Arbeitsmarkt zu schaffen. Im Rahmen dieser Evaluation wurde der organisatorische Umbau der BA in vier empirischen Feldern untersucht: Erstens die geschäftspolitische Strategie und das Steuerungssystem der Organisation, zweitens der Geschäftsprozess im neuen "Kundenzentrum" der Arbeitsagenturen, drittens die IT-Infrastruktur (Virtueller Arbeitsmarkt) sowie viertens die Rolle der Beschäftigten im Reformprozess. Der analytische Fokus folgt der Fragestellung, inwiefern die empirischen Befunde ein gewandeltes Dienstleistungsverständnis und eine veränderte Dienstleistungspraxis in der BA indizieren.
Im Rahmen dieser Studie wurden Dokumentenanalysen, leitfadengestützte Interviews mit Fach- und Führungskräften in Arbeitsagenturen, Regionaldirektionen und BA-Zentrale und eine repräsentative schriftliche Mitarbeiterbefragung verwendet. Der Gender Mainstreaming Ansatz wurde sowohl mit Blick auf die Situation der Beschäftigten und die Personalentwicklung wie auch mit Blick auf eine mögliche Gender-Differenzierung in der Leistungspolitik berücksichtigt.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die neue Organisation der Zentrale und der Regionaldirektionen sowie das Kundenzentrum in den Agenturen mit hoher Stringenz in einem strikten Top-Down-Verfahren umgesetzt wurden. Dabei ist die gesamte Organisation auf Einheitlichkeit und Transparenz hin ausgelegt worden; sie wird damit erstmals systematisch steuerbar und vereinfacht die Einführung neuer Prozesselemente und Handlungsvorgaben. Andererseits reduziert die enge Organisationssteuerung die Fähigkeit der Agenturen zur selbstständigen flexiblen Anpassung an die Anforderungen des Umfeldes, zugleich determiniert sie die operativen Prozesse in den Agenturen, was mit zum Teil erheblichen Transaktionskosten verbunden ist.
Die geschäftspolitische Strategie der BA ist auf eine betriebswirtschaftliche Nettoentlastung ausgerichtet: Die Ressourcen der Arbeitsförderung und die Beratungsdienstleistungen sollen so eingesetzt werden, dass sich die bei einer erfolgreichen Integration eingesparten Versicherungsleistungen (Arbeitslosengeld) gegen den erbrachten Aufwand rechnen. Aktive Maßnahmen sind so einzusetzen, dass ihre Wirkung, also die Integration in Erwerbsarbeit, zu einem Zeitpunkt zu erwarten ist, bevor die betreffende Person in den Rechtskreis des SGB II übertritt. Daraus resultiert eine betriebswirtschaftliche Entlastung der BA, die sich zum Teil der positiven Haushaltsentwicklung niederschlägt, andererseits aber zu Lasten des Dienstleistungsangebotes für diejenigen Kundengruppen mit Vermittlungshemmnissen geht, die den größten Unterstützungsbedarf haben (die so genannten "Betreuungskunden"). Zudem bleiben die volkswirtschaftlichen Kosten einer sich in bestimmten Gruppen verfestigenden Langzeitarbeitslosigkeit ausgeblendet. Durch die institutionellen Rahmenbedingungen der getrennten Trägerschaft für die Rechtskreise SGB III und SGB II und fiskalische Anreize wie den "Aussteuerungsbetrag", den die BA für jeden Arbeitslosen zahlen muss, der in den Regelkreis SGB II übertritt, wird die betriebswirtschaftliche Logik in der geschäftspolitischen Strategie der BA verstärkt und eine einheitliche, rechtskreisübergreifende Arbeitsmarktpolitik erschwert.
Der Untersuchungsauftrag wurde vom Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft (iso), Saarbrücken und der Organisationsberatung Peter Ochs ausgeführt.
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