- Redner*in:
- Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in stürmischen Zeiten. Das trifft uns als offene Volkswirtschaft, als exportstarkes Land besonders. Deshalb ist das Wichtigste, wenn wir die wirtschaftliche Dynamik in diesem Land starkmachen wollen, wenn wir sie wiederbeleben wollen, dass wir für offene Märkte kämpfen - auch weltweit. Und, Kolleginnen und Kollegen der Union, in der Europäischen Union keine Grenzen hochziehen.
Wir konkurrieren auf der Welt nicht mit den niedrigsten Löhnen, sondern nur mit den besten Produkten, Verfahren und Dienstleistungen; das ist unser Geschäftsmodell.
Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Märkte offen sind.
Wir erleben, dass wir herausgefordert sind, wenn andere auf der Welt mit einer aktiven, um nicht zu sagen, robusten oder aggressiven Form von Industrie- und Wirtschaftspolitik versuchen, Marktanteile zu gewinnen - indem sie Märkte abschotten, indem sie Subventionen zahlen, indem sie Zölle erhöhen. Deshalb ist ganz klar: Wenn wir tatenlos zugucken, dann machen wir einen Fehler. Wir brauchen auch in Deutschland und in Europa eine aktive Wirtschafts- und Industriepolitik, und um die werden wir kämpfen, meine Damen und Herren.
Frau Klöckner, Sie haben gerade dafür plädiert - das ist vielleicht ein Unterschied -, wie in den USA allgemeine Steuersenkungen für große Konzerne und sehr wohlhabende Menschen vorzunehmen. Da kann man nicht davon ausgehen, dass das auch in Deutschland investiert wird. Wir wollen gezielt dafür sorgen, dass Investitionen, privatwirtschaftliche Investitionen in kleine, in mittlere, in Großunternehmen in Deutschland gefördert werden.
Das kann man vom Inflation Reduction Act der USA lernen: Investitionen in Deutschland. Wir wollen einen „Made in Germany“-Bonus, damit in Deutschland in Arbeitsplätze investiert wird, aber nicht, dass wohlhabende Menschen Steuersenkungen bekommen. Herr Merz und ich, wir brauchen keine Steuersenkungen. Aber die Unternehmen brauchen für neue Anlagen, Maschinen, für Digitalisierung gezielte Investitionsanreize. Deshalb, meine Damen und Herren, setzen wir auf den „Made in Germany“-Bonus.
Wir brauchen auch wettbewerbsfähige Energiepreise. Dafür hat diese Bundesregierung eine ganze Menge gemacht.
Wir haben den Verbrauchern und den Unternehmen die EEG-Umlage von den Schultern genommen. Aber wir müssen auch dafür sorgen, dass wir mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze eine Energieversorgung mit bezahlbaren Industriestrompreisen bekommen.
Da sage ich: Anstatt mit der AfD hier Mehrheiten zu bilden, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, hätten Sie in dieser Woche der Senkung der Netzentgelte zustimmen müssen, um die Wettbewerbsfähigkeit in diesem Land zu steigern.
Das haben Sie nicht getan. Stattdessen stellen Sie die Innovationen, die unsere energieintensiven Unternehmen brauchen - in der chemischen Industrie, in der Stahlindustrie -, infrage.
Herr Merz, Sie glauben nicht an grünen Wasserstoff.
Aber das ist keine religiöse Frage. Es ist eine Notwendigkeit, dass wir den Wasserstoffhochlauf in Deutschland hinbekommen für die Chemieparks in diesem Land, für die großen Industrien.
Fahren Sie mal zur Salzgitter AG und zu Thyssenkrupp! Die haben den Weg eingeschlagen, den Sie jetzt infrage stellen. Das ist unverantwortlich. Mit solchen Äußerungen sind Sie ein Standortrisiko für die deutsche Industrie.
Und wir brauchen in diesem Land ausreichend Arbeits- und Fachkräfte. Dafür haben wir viele Weichen in dieser Koalition gestellt, mit dem Aus- und Weiterbildungsgesetz, mit dem Qualifizierungschancengesetz, mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz.
Rede des Bundesministers für Arbeit und Soziales im Plenum des Bundestages zum Jahreswirtschaftsbericht im Parlamentsfernsehen.
"Wir wollen Menschen mit normalen und unteren Einkommen entlasten"
Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Wir müssen die Demografie ernst nehmen in diesem Land.
In den nächsten Jahren gehen - wohlverdient - geburtenstarke Jahrgänge in den Ruhestand. Deshalb müssen wir alle Register ziehen. Herr Habeck hat angesprochen, was zu tun ist. Vor allen Dingen müssen möglichst viele junge Menschen in Ausbildung und damit in Arbeit kommen. Es gehen uns zu viele verloren. Deswegen brauchen wir konsequente Berufsorientierung an allen Schulen in Deutschland, übrigens auch an Gymnasien.
Wir brauchen eine Stärkung der beruflichen Bildung und bessere Übergänge, um jungen Menschen eine Chance zu geben, damit wir Arbeits- und Fachkräfte im Inland haben. Wir müssen die Erwerbsbeteiligung von Frauen in diesem Land stärken - nur 10 Prozent mehr, das wären 400 000 qualifizierte Fachkräfte mehr in diesem Land -, weil viele Frauen ungewollt in Teilzeit sind. Deshalb ist es wichtig, in Kinderbetreuung, in die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu investieren.
Aber dafür brauchen Kommunen auch die Mittel.
Ich will zum Schluss sagen: Es gibt zwei Dinge, die uns von CDU und CSU unterscheiden. Wenn es um Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik geht, reden Sie niemals über die Kaufkraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Deshalb sage ich: Wir brauchen nicht nur eine wettbewerbsfähige Wirtschaft, wir brauchen auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die genug Geld in der Tasche haben, um den Konsum in diesem Land anzukurbeln. Deshalb war es richtig, den Mindestlohn zu erhöhen, und er wird weiter steigen müssen in diesem Land.
Wir müssen die Tarifbindung stärken.
In der Steuerpolitik gibt es einen entscheidenden Unterschied: Wir wollen Menschen mit normalen und unteren Einkommen entlasten, damit sich Arbeit stärker lohnt. Sie wollen Spitzenverdiener an dieser Stelle entlasten, sagen aber nicht, wo das Geld herkommen soll, das wir in Deutschland brauchen, um in Infrastruktur, Schulen und Brücken zu investieren. Nachdem ich vorhin Herrn Dobrindt und Herrn Spahn hier gesehen habe, kann ich Ihnen nur sagen: Angesichts Ihrer eigenen Regierungsbilanz, den bröckelnden Brücken, die Sie hinterlassen haben - mit denen Volker Wissing jetzt aufräumt -, sollten Sie mal ganz still sein!
Das Mautdebakel der Vergangenheit ist kein Ausfluss von Infrastrukturkompetenz.
Sie haben zu viel Zeit auf den Parteitagen der Republikaner verbracht, Herr Spahn. Diese Sprüche haben Sie heute Morgen schon im Deutschlandfunk abgelassen, hier auch. Aber Sprüche ersetzen in der Politik kein gutes Handwerk.
Und Sie haben bewiesen, dass Sie es nicht können. Deshalb sollten Sie keine Verantwortung in diesem Land tragen.
Herzlichen Dank.