- Anfang:
- 27.09.2024
- Redner*in:
- Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben zweifellos in stürmischen Zeiten. Angesichts vieler Veränderungen, auch mancher Krisen, haben viele Menschen große Sorgen und suchen nach Sicherheit. Wir müssen heute hier deutlich sagen, dass der Staat, dass die Politik, nicht alle Sicherheit im Leben geben kann. Aber bei den großen Fragen dieser Zeit, bei den großen Fragen, die die Menschen sich stellen, ist es unsere Verantwortung als Bundesregierung, auch als Deutscher Bundestag, den Menschen Sicherheit zu geben, und das betrifft vor allen Dingen auch die Sicherheit im Alter.
Genau das, meine Damen und Herren, tun wir mit dem Rentenpaket II. Das Fundament der Alterssicherung in Deutschland ist und bleibt die gesetzliche Rente. Wir werden als Bundesregierung auch dafür sorgen, dass es mehr Betriebsrenten gibt – der Gesetzentwurf ist auf dem Weg –, vor allen Dingen, damit Menschen mit geringem Einkommen auch eine betriebliche Altersvorsorge bekommen. Der Bundesfinanzminister wird auch vorschlagen, die private Altersvorsorge zu reformieren und zu stärken.
Aber, meine Damen und Herren, für die meisten Menschen in diesem Land ist die wichtigste – und für viele Menschen übrigens die einzige – Absicherung im Alter die gesetzliche Rente. Das gilt besonders in Ostdeutschland. Trotz aller Veränderungen und Umbrüche in den letzten Jahren und Jahrzehnten können und müssen wir feststellen, dass die gesetzliche Rente, das solidarische gesetzliche Rentenversicherungssystem, die wichtigste Sicherheit im Alter gibt. Und genau das muss in Zukunft auch der Fall sein.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen sagen, für wen wir das machen. Denn in dieser Diskussion wird oft darüber gesprochen, dass da Jung gegen Alt ausgespielt wird. Genau das ist nicht unser Ansatz. Ja, es ist richtig: Es geht auch um die 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner von heute. Es geht um den Respekt vor ihren Lebensleistungen. Es ist ganz klar, dass diese Menschen mit ihrer Arbeit nicht nur unser Land aufgebaut haben, die deutsche Einheit gestaltet haben. Sie haben Beiträge gezahlt. Und sie haben sich eine ordentliche Rente redlich verdient. Das ist kein Almosen des Staates. Das ist das Ergebnis ihrer Lebensleistung. Und auch für diese Menschen machen wir diese Reform, meine Damen und Herren.
Es geht aber vor allen Dingen auch um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von heute, um die Menschen, die jeden Tag aufstehen und hart arbeiten. Es geht um die Sicherheit für die arbeitende Mitte. Es geht darum, dass, wenn sie heute arbeiten und Beiträge zahlen, sie am Ende ihres Erwerbslebens auch ordentlich abgesichert sind. Und ja, meine Damen und Herren, es geht auch um die junge Generation, die das Erwerbsleben noch vor sich hat, die jetzt den Staffelstab übernehmen wird, die reinklotzen wird. Das Grundversprechen, dass man nach einem Leben voller Arbeit im Alter ordentlich abgesichert ist, gilt es jetzt für alle Generationen zu erneuern und nicht Generationen gegeneinander auszuspielen, meine Damen und Herren.
Ich habe Ihnen gesagt, für wen wir das machen: für alle Generationen, die sich im Alter auf dieses Versprechen verlassen müssen. Aber wir machen es auch mit sehr konkreten Maßnahmen. Ich will kurz sagen, was Teil dieses Rentenpakets II ist. Es geht um drei Elemente:
Rede des Bundesministers für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, zu Rentenniveaustabilisierung und Generationenkapital (Rentenpaket II) am 27.09.2024
Video der Rede
Erstens: Es geht darum, dass wir das Rentenniveau dauerhaft stabil halten, und zwar für alle Generationen. Es geht bei dem Thema Rentenniveau konkret darum, dass die Renten zukünftig weiterhin der Lohnentwicklung folgen. Wenn wir das nicht tun würden, dann würde die Kaufkraft der Rentnerinnen und Rentner gegenüber den Beschäftigten sinken, zu Deutsch: Sie würden ärmer. Das werden wir nicht zulassen, meine Damen und Herren. Deshalb wird das Rentenniveau dauerhaft gesichert.
Zweitens: Wir treffen Zukunftsvorsorge. Wir legen mit dem Generationenkapital heute Geld vernünftig an, um in den Zeiten, in denen die Demografie für das Rentenversicherungssystem besonders herausfordernd ist – und das ist die zweite Hälfte der dreißiger-Jahre –, dafür zu sorgen, dass wir Beitragsanstiege abdämpfen können. Das stabilisiert die gesetzliche Rente. Das haben wir in der Koalition vereinbart. Und das ist ein vertretbarer und vernünftiger Weg, meine Damen und Herren.
Drittens: Wir schaffen mit den Formulierungshilfen im Rahmen des Wachstumspakets, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, weitere Anreize für flexible Übergänge in den Ruhestand. Das ist mir wichtig. Denn das Wort "flexibel" ist wichtig, wenn wir über Übergänge in den Ruhestand reden, weil die Arbeits- und Lebensbiografien von Menschen sehr unterschiedlich sind.
Ich möchte mich in diesem Zusammenhang mit einigen Alternativen auseinandersetzen, die da diskutiert werden. Ich habe es vorhin gesagt: Wir wollen mit dem Rentenpaket II in der gesetzlichen Rente den Generationenvertrag, die solidarische Rente, erneuern. Aber mir ist sehr bewusst, dass es in diesem Land auch politische Kräfte und Interessenvertreter gibt, die den solidarischen Rentenvertrag der gesetzlichen Rentenversicherung kündigen wollen. Die wollen, dass wir das Ganze privatisieren. Die wollen, dass wir die Lasten der Finanzierung der Rente einseitig auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abschieben. Die wollen, dass wir die gesetzliche Rente zugunsten von Finanzprodukten zurückdrängen. Das ist nicht der richtige Weg. Und ich halte ihn auch nicht für verantwortlich.
Ich mache die Bedeutung der Debatte über das Thema Lebensarbeitszeit, die in Deutschland geführt wird, an einem Beispiel klar. Ich habe vor Kurzem in Eisenhüttenstadt eine Frau getroffen, die seit 1983 im Schichtdienst arbeitet. Sie hat mich gefragt, ob es weiterhin dabei bleibt, dass sie, wenn sie 64 oder 65 Jahre alt ist, nach 45 oder über 45 Jahren Versicherungszahlungen abschlagsfrei in Rente gehen kann. Diese Frau hat früh angefangen, zu arbeiten, mit 16, 17. So ist es bei ganz vielen Menschen in Deutschland, die eine berufliche Ausbildung gemacht haben. Wenn sie 45 Versicherungsjahre voll haben, dann soll es dabei bleiben, dass sie weiterhin mit 64 oder 65 abschlagsfrei in Rente gehen können.
Es gibt welche, meine Damen und Herren – und ich gucke in Richtung CDU –, die diese Rente für langjährig Versicherte – es geht nicht um eine Rente mit 63 – abschaffen wollen. Wir werden diesen Weg nicht gehen. Es wäre eine Rentenkürzung für viele fleißige Menschen, wenn wir das abschaffen würden. Das werden wir nicht tun.
Die CDU hat ein bisschen schwiemelig in ihrem Grundsatzprogramm ausgedrückt, dass sie die Regelaltersgrenze an die Lebenserwartung koppeln will. Ich übersetze das mal ins Deutsche: Sie wollen das gesetzliche Renteneintrittsalter über 67 hinaus erhöhen. Da sage ich: Das machen wir nicht mit. Wer will und kann, soll länger arbeiten. Und dafür werden wir auch mit den Formulierungshilfen finanzielle Anreize setzen. Aber eine Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters über 67 hinaus – auf 68, 69, 70 – ist wirklichkeitsfremd. Weil viele Menschen in der Pflege, im Handwerk, im Handel, in vielen anderen Bereichen es nicht erreichen werden. Für die hieße es: Abschläge und Rentenkürzung. Das ist nicht der richtige Weg. Flexible Übergänge: ja! Die Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters: nein!
Zum Schluss möchte ich einmal die Gelegenheit nutzen, mich ganz herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen in der Koalition zu bedanken, namentlich beim Bundeskanzler, aber auch beim Vizekanzler Habeck und ausdrücklich auch bei Christian Lindner.
Denn dieses Rentenpaket II ist nicht allein in der Federführung des Bundesarbeitsministeriums, sondern es sind das Bundesfinanzministerium und das Arbeitsministerium. Ich sage trotz einiger Debatten, die geführt werden: Wir haben eine gemeinsame Verantwortung, noch in dieser Legislaturperiode für das Alterssicherungssystem die Weichen weit über die heutige Zeit hinaus zu stellen, damit sich alle Generationen auf die Rente verlassen können: die Jüngeren, die Mittleren und auch die Älteren.
Herzlichen Dank.