Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hat sich diese Woche in Kanada über die Einwanderungspolitik des Landes informiert. Gemeinsam mit Innenministerin Nancy Faeser hat Heil in Ottawa und Toronto erfahren können, wie sich erfolgreich Fachkräfte aus dem Ausland anwerben lassen – und Teil der Gesellschaft werden. Mitgenommen haben Heil und Faeser wichtige Impulse für das modernisierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das die Bundesregierung derzeit auf den Weg bringt. In Kanada konnten beide mehr über das dortige Einwanderungsrecht und die Integration der Arbeitskräfte in Unternehmen und Gesellschaft erfahren.
Die Fachkräftebasis zu sichern, zählt zu den drängendsten Aufgaben unserer Wirtschaft. Wenn wir ökonomisch nicht den Anschluss verlieren wollen, muss Deutschland als Einwanderungsland für Fachkräfte attraktiver werden.
Damit ausländische Fachkräfte leichter nach Deutschland kommen und schnell durchstarten können, wollen wir ein modernes Einwanderungsrecht schaffen.
Auf der Reise gab es es viele Begegnungen und viel Erfahrungsaustausch auf verschiedenen Ebenen: von den zuständigen Ministerinnen und Ministern für Arbeitsmarktpolitik und Einwanderung über die regionalen Regierungen und die Einwanderungsbehörde sowie eine Serviceagentur für Zugewanderte.
Bei SIEMENS Healthineers konnten sich Heil und Faeser ein Bild von der Praxis eines Unternehmens machen, das seit Jahren qualifizierte Fachkräfte und High Potentials aus der ganzen Welt in seinen Betrieb integriert.
Bundesarbeitsminister Heil und Bundesinnenministerin Faser besuchen in Ottawa das Tech-Unternehmen Siemens Healthineers.
Hubertus Heil und Nancy Faser im Gespräch mit eingewanderten Fachkräften des Unternehmens: "Wir sind eine Community".
Am Standort Ottawa produzieren 350 Mitarbeiter ein digitales Blutanalysesysten. Mit dem handlichen Gerät lassen sich wichtige Blutgas-Parameter in weniger als einer Minute ohne aufwändige Laboranalyse analysieren: enorme Arbeitserleichterung im Flächenland.
Seit vielen Jahren wirbt Kanada erfolgreich um qualifizierte Fachkräfte und High Potentials aus der ganzen Welt. Am kanadischen Standort von Siemens Healthineers sind rund 80 Prozent der Kolleginnen und Kollegen eingewandert. Und vollintegriert. Im Gespräch mit den beiden Ministern nannten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Gründe für Kanada. Einfache und transparente Verfahren, soziale wie öffentliche Sicherheit – und vor allem die gelebte Willkommenskultur.
Hubertus Heil: "Ich bin beeindruckt von der Integrationsarbeit, die Siemens hier leistet und rege an, diese Erfahrungen regelmäßig mit den Standorten in Deutschland zu teilen — im Sinne von Best Practice".
Besuch bei COSTI Immigrant Services. Costi ist eine gemeinschaftsorientierte multikulturelle Agentur in Toronto. Seit 1952 geht sie auf Bedarfe ein, die aus einer vielfältigen Gesellschaft erwachsen und arbeitet dabei eng mit dem kanadischen Einwanderungsministerium und seinen nachordneten Behörde (ICRR - Immigration, Refugees and Citizenship Canada) zusammen.
COSTI bietet insbesondere Dienstleistungen zur Integration von Zuwanderern an. Die Agentur erbringt Beschäftigungs-, Bildungs-, Ansiedlungs- und Sozialdienste für alle Einwanderergemeinschaften, Neu-Kanadier*innen und hilfsbedürftige Einzelpersonen.
Das Humber College ist eine Ausbildungsstätte, die nach deutschem Verständnis eine Mischung zwischen Berufsschule und Fachhochschule darstellt.
Das College bietet u.a. speziell auf Zugewanderte zugeschnittene Leistungen, u.a. auch dedizierte "Bridging programs" an: Aufbaukurse für eingewanderte Fachkräfte, um ihre im Ausland erworbenen Kenntnisse um kanada-spezifisches Fachwissen zu erweitern und sie so für den kanadischen Arbeitsmarkt fit zu machen.
Der Besuch ermöglicht einen Blick auf den Themenkomplex Ausbildung hin zur Beschäftigung von Eingewanderten und schafft Beispiele für Berufsbildung und Weiterqualifikation von eingewanderten Arbeitskräften.
Humber bietet mehr als 200 Studiengänge an, darunter Bachelor-, Diplom-, Zertifikats-, Nachdiplom- und Lehrlingsstudiengänge in 40 Fachrichtungen.
Die Universität verfügt außerdem über akademische Berater und andere Ressourcen, wie z. B. einen Career Finder. Im Studienjahr 2020/21 waren 33.000 Vollzeit- und 23.000 Teilzeitstudenten eingeschrieben.
Humber wurde 1967 unter seinem Präsidenten Gordon Wragg gegründet. Es wurde zum größten College Kanadas mit zeitweise über 27.000 Vollzeit- und 50.000 Teilzeitstudenten.
Einwanderungsland Kanada
Bezogen auf die Einwohnerzahl ist Kanada das Land mit der höchsten Zuwanderung weltweit. Schon 1967 führte die kanadische Regierung ein inzwischen mehrfach weiterentwickeltes, punktebasiertes Einwanderungssystem ein.
Bei diesem Express-Entry-Verfahren werden Punkte vergeben nach Kriterien wie Berufserfahrung, Alter, Sprachkenntnisse, Bildung und berufliche Qualifikation und Arbeitsplatzzusage. Momentan sind für die Aufnahme in einen Bewerberpool 67 von 100 möglichen Punkten erforderlich. In einem zweiten Schritt wird anhand eines Punktesystems (Comprehensive Ranking System) eine Auswahl unter den Bewerbern getroffen.
Nach drei Jahren in Arbeit sind Zuwanderer schließlich berechtigt, einen Einbürgerungsantrag zu stellen. Dieses Angebot nimmt eine überwältigende Mehrheit der Zugewanderten auch an.
Vorbild für Deutschland?
Die Herausforderungen des demografischen Wandels, der sich auch in Kanada abzeichnet, konnte Deutschland lange über Zuwanderung aus dem EU-Ausland kompensieren. Heute hat die Bundesrepublik einen Beschäftigungshöchststand von knapp 46 Millionen Personen. Doch selbst wenn es gelingt, mit Verbesserungen bei Aus- und Weiterbildung sowie der Beschäftigung von Frauen und Älteren alle inländischen Potenziale unseres Landes zu heben, benötigt Deutschland künftig mehr qualifizierte Einwanderung aus Drittstaaten.
Dafür braucht es einen guten Rahmen. So hat sich die Bundesregierung das Ziel gesetzt, mit der Weiterentwicklung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes das modernste Einwanderungsrecht Europas zu schaffen. Dafür sollen die Regelungen zur Einwanderung von übermäßiger Bürokratie befreit werden, beispielsweise bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen und Visa-Erteilung. Mit Hilfe einer so genannten Chancenkarte und einem Punktesystem sollen neue, unkomplizierte Chancen und Zugänge für kluge Köpfe aus dem Ausland entstehen.
Mit einer zeitgemäßen Ausbildung, gezielten Weiterbildungen und einer modernen Einwanderungspolitik wollen wir die Arbeit als Fachkraft wieder attraktiver machen und Unternehmen bei der Fachkräftesicherung unterstützen.