Die unabhängige Fachkommission der Bundesregierung zu den Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit hat heute Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel ihren Abschlussbericht übergeben. Er enthält eine Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen, arbeitsmarktpolitischen, gesellschaftlichen und demografischen Rahmenbedingungen für Integration sowie Impulse und Empfehlungen, wie diese weiterentwickelt werden können. Der Bericht ist ein Auftrag des Koalitionsvertrages. Der Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, Horst Seehofer, der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, und die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Annette Widmann-Mauz, haben die Fachkommission federführend begleitet.
Der Bericht der Fachkommission macht deutlich: 15 Jahre nach seiner Einführung ist der Begriff "Migrationshintergrund" nicht mehr zeitgemäß, er bildet die Vielfalt unserer Gesellschaft nicht mehr ab. Wir brauchen eine Diskussion, wie wir den Begriff ablösen, zugleich aber auch künftig Entwicklungen und Herausforderungen bei der Integration statistisch messbar machen können. Und wir brauchen ein neues Integrationsverständnis, das alle einschließt und auf Bedarf statt Herkunft setzt. Denn Integration ist eine Entscheidung, zu der alle JA sagen müssen: Der Staat, der Angebote macht, jeder Einzelne, der sich aktiv einbringt und Angebote wahrnimmt, und eine Gesellschaft, die sich zu ihrer Einheit in Vielfalt bekennt. Es geht um ein Deutschsein im 21. Jahrhundert, das Vielfalt und Einwanderungsgeschichten auf der Basis gemeinsamer Regeln und Werte als Normalität anerkennt. Ich danke der Kommission für ihre wertvollen Impulse.
Deutschland ist ein Einwanderungsland. Ohne die vielen Fachkräfte mit ausländischen Wurzeln wäre unsere Wirtschaft nicht so stark wie sie heute ist. Wir bleiben darauf angewiesen, dass gut ausgebildete Menschen aus dem Ausland gerne in Deutschland arbeiten. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz haben wir einen großen Schritt gemacht. Wir können flexibel auf die Bedarfe am Arbeitsmarkt reagieren und zugleich die Integration von Beschäftigten verbessern. Denn Integration findet zu einem großen Teil auch am Arbeitsplatz statt: über die Sprache, über den Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen und über das Gefühl, einen Platz in der Gesellschaft zu haben. Deshalb muss unser Ziel eine offene Arbeitswelt sein, in der Vielfalt als Stärke gilt. Die Empfehlungen der Fachkommission werden uns auf diesem Weg sicherlich voranbringen.
Deutschland ist ein starkes, weltoffenes Land im Herzen Europas. Wir können stolz sein, dass Ein- und Auswanderung ein Teil unserer Geschichte und unserer Kultur geworden sind. Auch in Zukunft gilt: Erfolgreiche Integration ist der Schlüssel für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Daher danke ich der Kommission heute für ihren unabhängigen Debattenbeitrag.
Bundesregierung hat die Fachkommission zu den Rahmenbedingungen der Integrationsfähigkeit vor zwei Jahren eingesetzt und herausragende Expertinnen und Experten für die Arbeit an dem Bericht gewinnen können. Dass es gelungen ist, den Bericht heute zu übergeben, ist dem gemeinsamen Willen der Mitglieder der Fachkommission und der Geschäftsstelle zu verdanken, der Komplexität des Themas gerecht zu werden und diese in dem Bericht darzustellen. Daher empfehle ich nicht nur die Kernbotschaften und Empfehlungen Ihrer Aufmerksamkeit, sondern den gesamten Bericht.
Es freut mich, dass dieser Bericht nach konstruktiven und arbeitsintensiven Beratungen heute der Bundesregierung übergeben wird. Das Thema Integration wird den Weg unserer Gesellschaft auch in Zukunft weiterhin in vielfältiger Art und Weise prägen und begleiten. Die Handlungsempfehlungen und Anregungen aus dem Bericht sollen bevorstehende Debatten bereichern und bei Entscheidungen herangezogen werden.
14 Kernbotschaften zur Zukunft der Integrationspolitik
In ihrem Abschlussbericht gibt die Fachkommission einen Überblick über den Stand und die Zukunft der Integrationspolitik in Deutschland. Der Fokus der Beratungen der unabhängigen Kommission lag auf dem Zusammenhang von Migration und Integration sowie den Themenfeldern Sprachförderung, Arbeitsmarktintegration, Bildung, Wohnen und Gesundheit. Auch der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Gefahren durch Rassismus, Rechtsextremismus und Terrorismus werden im Bericht adressiert. Mögliche Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Integrationspolitik wurden ebenfalls beleuchtet. Der Abschlussbericht enthält 14 Kernbotschaften, die als Impulse für die künftige Integrationspolitik dienen sollen.
Der Fachkommission gehören 24 Mitglieder aus Wissenschaft und Praxis an. Den Vorsitz haben Derya Çağlar, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, und Ashok-Alexander Sridharan, Rechtsanwalt und Oberbürgermeister a.D. der Bundesstadt Bonn. Die Mitglieder der unabhängigen Kommission wurden im Januar 2019 vom Bundeskabinett berufen und nahmen im Februar 2019 die Arbeit auf. Adressaten der Empfehlungen sind sowohl der Bund als auch die Länder, Kommunen und die Zivilgesellschaft.
Die 24 Mitglieder:
- Derya Çağlar, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin
- Ashok-Alexander Sridharan, Rechtsanwälte Busse & Miessen Oberbürgermeister a. D. der Bundesstadt Bonn
- Dr. Daniel Thym, Professor für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Universität Konstanz
- Dr. Havva Engin, Leiterin des Heidelberger Zentrums für Migrationsforschung und Transkulturelle Pädagogik
- Barbara John, Vorsitzende des Beirats der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Ausländerbeauftragte des Berliner Senats von 1981–2003
- Thomas Liebig, Leitender Ökonom in der Abteilung für Internationale Migration bei der OECD
- Dr. Martin Kroh, Professor für Methoden der empirischen Sozialforschung mit dem Schwerpunkt Quantitative Methoden an der Universität Bielefeld und Research Fellow der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) am DIW Berlin
- Dr. Viola Georgi, Professorin für Diversity Education und Direktorin des „Zentrums für Bildungsintegration, Diversity und Demokratie in Migrationsgesellschaften“ an der Stiftung Universität Hildesheim
- Dr. Hacı-Halil Uslucan, Direktor des Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung; Prof. für Moderne Türkeistudien und Integrationsforschung an der Universität Duisburg-Essen
- Dr. Petra Stanat, Direktorin des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt-Universität Berlin
- Dr. Oliver Razum, Dekan der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld
- Dr. Annette Treibel, Professorin für Soziologie am Institut für Transdisziplinäre Sozialwissenschaft der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und Leiterin des dortigen Master-Studiengangs Interkulturelle Bildung, Migration und Mehrsprachigkeit
- Dr. Hans Vorländer, Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung und des Mercator Forums Migration und Demokratie (MIDEM) an der TU Dresden
- Yasemin Shooman, Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM-Institut)
- Dr. Petra Bendel, Professorin für Politische Wissenschaft und Geschäftsführerin des interdisziplinären Zentralinstituts für Regionenforschung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU); Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR)
- Bettina Reimann, Team- und Projektleiterin sowie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Urbanistik (Difu)
- Stefan Löwl, Landrat von Dachau
- Anita Schneider, Landrätin des Landkreises Gießen
- Hacer Kirli, Integrations- und Gleichstellungsbeauftragte der Gemeinde Wennigsen (Deister, Niedersachsen)
- Dr. Herbert Brücker, Leiter des Forschungsbereichs "Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung" am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit; Direktor des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM)
- Nina Rother, Referatsleiterin im Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) (alternierend mit Dr. Susanne Worbs)
- Susanne Worbs, Referatsleiterin im Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) (alternierend mit Dr. Nina Rother)
- Norbert Seitz, Vorstandsmitglied bei der Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK)
- Dr. Andreas Zick, Professor für Sozialisation und Konfliktforschung an der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Bielefeld; Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG)
Der Bericht der Fachkommission wird heute dem Deutschen Bundestag und dem Deutschen Bundesrat zugeleitet. Die Empfehlungen werden innerhalb der Bundesregierung beraten.