Der deutsche Sozialstaat bietet zahlreiche Leistungen, um die BürgerInnen gegen zentrale Risiken in einer arbeitsteiligen Gesellschaft abzusichern und den sozialen Ausgleich zu fördern. Dennoch gibt es Lücken im Fördersystem und einzelne Gruppen, die mehr Unterstützung benötigen. Viele BürgerInnen wünschen sich Maßnahmen, um die soziale Teilhabe und materielle Absicherung von Kindern und Familien zu verbessern. Weiterhin wurde das Anliegen vieler BürgerInnen deutlich, die Einkommenssituation von Geringverdienenden zu stärken. Von der Sozialverwaltung wünschen sich die BürgerInnen eine stärker wertschätzende Haltung und ein flexibles Eingehen auf ihre Herausforderungen.
Die Handlungsbedarfe im Themenfeld "Sozialstaat weiterdenken" lauten:
Mehr Chancen und materielle Sicherheit für Kinder
1. Lösungsansatz: Verbesserung der finanziellen Situation von Kindern und Familien
Thesen zur Diskussion
Kindern und Jugendlichen soll eine bessere soziale Teilhabe und materielle Absicherung ermöglicht werden. Die unterschiedlichen familienbezogenen Leistungen sollen verbessert und enger miteinander verzahnt werden, bestehende Hürden beim Leistungszugang abgebaut werden.
- These 1: Konzept für eine Kindergrundsicherung.
- These 2: Armutsprävention und Arbeitsanreize durch ein Neues Kindergeld.
Zugrundeliegende Problemlage
Trotz umfangreicher familien- und kinderbezogenen Sozialleistungen sind die Armutsrisiken von Kindern und Jugendlichen zu hoch. Es bedarf weiterer Anstrengungen, um die Chancengleichheit und materielle Teilhabe für alle Kinder und Jugendliche unabhängig von der Situation ihrer Eltern sicherzustellen und einkommensschwache Familien zu stärken. Auf die Verbesserungen durch das Starke-Familien-Gesetz kann aufgebaut werden.
Eine Kommentierung unserer Thesen und unseres Lösungsansatzes war bis zum 12.09.2019 möglich. Vielen Dank an alle, die kommentiert haben!
2. Lösungsansatz: Verbesserung der Infrastruktur zur Förderung der Teilhabe von Kindern und Jugendlichen
Thesen zur Diskussion
Der Ausbau und dauerhafte Unterhaltung einer sozialen Infrastruktur zur Förderung der Teilhabe von Kindern und Jugendlichen im gesamten Bundesgebiet ist erforderlich, um armutsbedingte Benachteiligungen auszugleichen. Die Integration aller Kinder und Jugendlichen in Schule und gesellschaftlichem Leben sind wichtige Bestandteile einer gesamtstaatlichen Strategie zur Armutsbekämpfung und -prävention.
- These 1: Präventionsketten gegen Kinderarmut.
- These 2: Stärkung durch einklagbaren Rechtsanspruch im SGB VIII.
Zugrundeliegende Problemlage
Die Verbesserung von Bildungschancen und Teilhabemöglichkeiten für alle Kinder und Jugendlichen prägt seit geraumer Zeit die fachlichen und politischen Debatten im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik. Nach Änderung von Art. 104c GG sind Finanzhilfen des Bundes als Sachinvestitionen zur Gewährleistung einer zukunftstauglichen Bildungsinfrastruktur im gesamtstaatlichen Interesse möglich.
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Situation von Geringverdienenden verbessern
1. Lösungsansatz: Stärkung der Primärverteilung
These: "Die Einführung von regionalen freiwilligen ,Living Wages‘ in Deutschland kann dazu beitragen, dass Geringverdienende wieder besser von ihrer Arbeit leben können."
In Deutschland sollen nationale oder regional spezifizierte freiwillige „Living Wages“ eingeführt werden. Als „Living Wage“ soll ein nachvollziehbar ermitteltes (Stunden-) Entgelt verstanden werden, das – vollzeitbeschäftigten – ArbeitnehmerInnen einen einfachen, aber sozial akzeptierten Lebensstandard ermöglicht. Eine solche Lohnleitlinie soll – wie in Großbritannien – über private Stiftungen, die sozialpartnerschaftlich besetzt und wissenschaftlich unterstützt sind, erarbeitet werden. Sie soll oberhalb des gesetzlichen Mindestlohnes liegen und kann regional differenziert sein.
Zugrundeliegende Problemlage
In Deutschland ist der Niedriglohnsektor im europäischen Vergleich überdurchschnittlich entwickelt. Mangelnde Tarifbindung sowie eine zurückhaltende Anpassung des bundeseinheitlichen gesetzlichen Mindestlohnes führen dazu, dass Arbeit nicht immer so entlohnt wird, dass eine angemessene Teilhabe durch das eigene Einkommen garantiert ist. Insbesondere in Regionen mit hohen Lebenshaltungskosten wird diskutiert, ob bestehende Instrumente ausreichen, um ein solches Lohnniveau zu garantieren. Es besteht in Politik und Wirtschaft gleichzeitig ein breiter Konsens, keine politisch festgelegten Mindestlöhne einzuführen.
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2. Lösungsansatz: Stärkung der Sekundärverteilung
These: "Geringverdienende sollen eine Entlastungszahlung über die Einkommensteuer erhalten, weil so ihre finanzielle Lage zielgenau und wirkungsvoll verbessert werden kann."
Um Entlastungen für Geringverdienende zu erreichen, sind direkte Entlastungen bei den Sozialbeiträgen (Freibetrag bei Berechnung des Beitrags, Senkung der prozentualen Beiträge) kein geeigneter Weg. Vorzuziehen ist hingegen ein Weg über die Einkommensteuer, der eine Entlastungzahlung vorsieht, verbunden mit einem Mechanismus ähnlich einer negativen Einkommensteuer. Dies würde ein in die bestehenden steuerlichen Regelungen gut integrierbares und effektives System darstellen, das gezielt sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit geringem Verdienst und ohne hohe andere Haushaltseinkommen entlastet. So sieht beispielsweise ein Vorschlag des Deutschen Gewerkschaftsbundes den Abzug eines Entlastungsbetrags für Arbeitnehmerbeiträge von der Einkommensteuer bis zu 100 Euro im Monat vor, der bei steigen- dem Einkommen abgeschmolzen wird und gegebenenfalls als „Negativsteuer“ ausgezahlt werden soll.
Zugrundeliegende Problemlage
Ein Grund für geringe Nettolöhne besteht in den bei niedrigen Bruttolöhnen relativ hohen Belastungen mit Sozialversicherungsbeiträgen. Durch die progressive Ausgestaltung des Einkommensteuertarifs und des Grundfreibetrags ist die Grenzentlastung im unteren Einkommensbereich bei einer Absetzung von Sozialversicherungsbeiträgen entsprechend niedrig.
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