- Anfang:
- 17.10.2019
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich weiß nicht, ob Sie das schon einmal erlebt haben - ich glaube, das geht vielen Menschen so: Ich kam im Februar ganz unverhofft in die Situation, dass ich auch einmal Homeoffice machen durfte. Ehrlich gesagt, war es eine Situation, die viele kennen, die kleine Kinder haben: Meine Tochter war krank und konnte nicht in die Kita; sie hatte Fieber. Ich habe dann erlebt, dass Homeoffice nicht so romantisch ist, wie es in einigen Diskussionen im politischen Raum manchmal erscheint. Wir hatten auf der anderen Seite viele Telefonate und Akten zu bearbeiten, wie das halt so ist. Ich gebe zu, ich war ein bisschen gestresst. Noch etwas mehr gestresst war ich aber, weil ich - wir wohnen in einem großen Haus - dann wie viele Menschen erlebte, dass gefühlt einmal die Stunde die Türglocke ging und jemand ein Paket abgeben wollte. Das war an dem Tag eine ganze Menge.
Ich will damit Folgendes sagen: Ich habe erst später eine Zahl gelesen, die verdeutlicht, wie diese Branche in den letzten Jahren boomt. Im Bereich von Paketzustell-, Express- und Kurierdiensten sind im vergangenen Jahr in diesem Land mit über 80 Millionen Einwohnern sage und schreibe 3,5 Milliarden Sendungen auf den Weg gebracht worden. Die Branche boomt vor allen Dingen infolge des Onlinehandels, weil viele Menschen im Internet bestellen; das ist bequem. Aber es ist in der Regel nicht so, dass die Pakete dann von Flugdrohnen in die Häuser gebracht werden, sondern von Paketboten. Und weil viele große Paketbringdienste das mit ihrem Personal nicht mehr bewältigen, sind sie dazu übergegangen, Subunternehmer zu beauftragen. Das, meine Damen und Herren, ist an sich nicht schlimm. Schlimm ist aber, dass diese Konstruktion von Sub-Sub-Subunternehmern missbraucht wird, um Arbeitnehmerrechte in Deutschland auszuhebeln und Sozialversicherungsbeiträge zu hinterziehen.
Das werden wir nicht länger zulassen.
Deshalb haben wir über die Ergebnisse der Kontrollen, über die uns der Zoll informiert hat, in der Koalition beraten und entschieden, dass wir das Prinzip der Generalunternehmerhaftung auch auf die Paketzustell-, Express- und Kurierbranche beziehen werden. Das ist ein probates Mittel. Es hat sich bewährt - wie seit vielen Jahren in der Bauindustrie -, weil es dazu verhilft, dass sich Generalauftragnehmer überlegen, wen sie sich als Subunternehmer aussuchen, da sie im Zweifelsfall für die Sozialversicherungsbeiträge ihrer Subunternehmer einstehen müssen, wenn die nicht eintreibbar sind. Und das hat Folgen für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten.
Meine Damen und Herren, wir reden über Menschen, die jeden Tag hart arbeiten, die Pakete schleppen, die sich anstrengen und die anständige Löhne, Arbeitsbedingungen und den sozialen Schutz unserer Gesellschaft verdient haben. Da werden wir Recht und Gesetz durchsetzen. Das ist der Ansatz dieser Bundesregierung.
Dieses Gesetz wird helfen, so wie es inzwischen im Baubereich hilft; das sagen die Bauindustrie, das Bauhandwerk, die IG Bau sowieso. Wir haben diesen Ansatz seit einigen Jahren auch in der fleischverarbeitenden Industrie, und auch in diesem Bereich werden wir es durchsetzen.
Ich weiß, dass das Recht das eine ist. Dafür, es durchzusetzen, braucht es aber noch etwas Anderes. Dieses Gesetz passt zu dem Gesetz zur Schwarzarbeitsbekämpfung, das mein Kollege, der Bundesfinanzminister Olaf Scholz, auf den Weg gebracht hat. Wir brauchen nämlich auch die entsprechenden Kontrollen und die Mittel für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll. Wir brauchen auch das entsprechende Personal. Die Durchsetzung von Recht und Gesetz ist das, was wir erreichen wollen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen: Meine Bitte ist, das Gesetz, das wir heute einbringen, im parlamentarischen Verfahren gründlich, aber auch zügig zu beraten, damit es zum anstehenden Weihnachtsgeschäft schon gilt. In etwa zehn Wochen ist Weihnachten, und wir wissen, dass das Paketaufkommen nun zunimmt. Wir müssen den Beschäftigten in Deutschland deutlich machen, dass wir Ausbeutung nicht zulassen. Auch im Zeitalter des Onlinehandels und der Digitalisierung darf niemand Digitalisierung in Deutschland mit Ausbeutung verwechseln. Daher sorgen wir auch mit diesem Gesetz dafür, dass Recht und Ordnung am Arbeitsmarkt gelten.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.