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- 09.11.2018
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Blick auf den Arbeitsmarkt in Deutschland gibt es Grund zur Freude und zum Stolz für unser Land, weil wir auf den ersten Blick eine ausgezeichnete Lage am Arbeitsmarkt haben: den höchsten Stand sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung seit der deutschen Einheit, die zweitniedrigste Erwerbslosenquote in der Europäischen Union.
Aber: Wir haben nach wie vor trotz dieser guten Entwicklung, die maßgeblich auf dem wirtschaftlichen Aufschwung der letzten Jahre beruht, einen verfestigten Sockel von Langzeitarbeitslosigkeit, von Menschen, die nicht die Chance hatten, von dieser guten wirtschaftlichen Entwicklung zu profitieren. Deshalb ist es richtig, dass wir heute anpacken. Ich bin stolz darauf, dass wir heute den sozialen Arbeitsmarkt im Deutschen Bundestag beschließen werden.
Wir reden hier über Menschen, die es aus sehr unterschiedlichen Gründen schwer hatten. Darunter sind Menschen, die zwar einmal eine ordentliche Ausbildung abgeschlossen haben, aber deren Betrieb in einer Region, in der es Strukturwandel gegeben hat, eingestellt wurde. Diese Menschen haben den Anschluss verloren. Wir reden auf der anderen Seite über Menschen, die manchmal in zweiter, dritter Generation den Zugang zu Erwerbstätigkeit nicht hatten. Wir reden über alleinerziehende Menschen, über Leute, die ganz lange aus dem Beruf heraus sind und die besondere Hilfen brauchen - und zwar keine kurzatmigen Maßnahmen, sondern eine längerfristige Perspektive auf sozialversicherungspflichtige Arbeit. Diese Perspektive schaffen wir heute mit diesem Gesetz.
Es geht hier nicht um Scheinbeschäftigung. Denn uns ist klar, dass für die meisten Menschen in Deutschland Arbeit nach wie vor mehr ist als Broterwerb. Es geht um Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Es geht darum, Kolleginnen und Kollegen zu haben. Es geht darum, seine Leistung zu spüren. Deshalb, meine Damen und Herren, ist es richtig, dass wir 4 Milliarden Euro investieren, um diesen Menschen jetzt eine Chance zu geben - eine Chance nicht nur auf Arbeit und Einkommen für ihre Familien, sondern eine Chance auch auf soziale Sicherheit und soziale Teilhabe an dieser Gesellschaft.
Ich bin den Parlamentariern der Koalitionsfraktionen im Besonderen außerordentlich dankbar dafür, dass sie im Rahmen der parlamentarischen Beratung dafür gesorgt haben, dass aus einem guten Gesetz ein noch besseres geworden ist.
Sie haben beispielsweise Regelungen durchgesetzt, dass in tarifgebundenen Unternehmen, die Arbeitsplätze anbieten - ob in der freien Wirtschaft, bei Kommunen oder bei Wohlfahrtsverbänden -, nicht nur der Mindestlohn, sondern der Tariflohn gezahlt wird. Es ist eine Frage der praktischen Vernunft, dass uns das gelungen ist.
Ich möchte mich insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen bedanken. Ich sehe zum Beispiel Herrn Weiß, Herrn Stracke, Frau Tack, Frau Mast, Herrn Whittaker und viele andere mehr, die mitgeholfen haben, dass wir auch bei der Frage des Zugangs zu dieser Möglichkeit ein bisschen liberaler geworden sind. Nach sechs Jahren Leistungsbezug innerhalb der letzten sieben Jahre gibt es die Chance auf Förderung. Für Schwerstbehinderte oder Bedarfsgemeinschaften mit Kindern besteht die Möglichkeit, nach fünf Jahren Leistungsbezug diese dauerhafte Förderung der sozialversicherungspflichtigen Arbeit in Anspruch zu nehmen. Das, meine Damen und Herren, sind zwei wesentliche Fortschritte aus der parlamentarischen Beratung.
Herr Whittaker, man muss es offen sagen: Es ist Ihr Verdienst, dass wir dafür auch den Betreuungsschlüssel verbessert haben, damit wir dieses Instrument in den Jobcentern gut umsetzen. Darauf können Sie stolz sein; das will ich Ihnen einmal sagen. Gemeinsam haben wir etwas Gutes erreicht. Das zeigt: Diese Koalition redet nicht nur, sie streitet manchmal, aber sie sorgt vor allen Dingen für bessere Lebenschancen für Menschen in diesem Land; denn um die geht es. Es geht nicht um parteipolitische Interessen.
Ab 1. Januar 2019 geht es mit dem sozialen Arbeitsmarkt in Deutschland los. Wir nehmen 4 Milliarden Euro für zwei Instrumente in die Hand, die wir auf den Weg bringen. Jetzt geht es darum, aus diesem Gesetz in Deutschland Realität werden zu lassen: in den Jobcentern, mit den Praktikern.
Mein Appell geht heute an die freie Wirtschaft, an die Kommunen, an die Träger, langzeitarbeitslosen Menschen eine Chance zu geben. Wir werden sie dabei mit Lohnkostenzuschüssen unterstützen. Das ist gut investiertes Geld, weil - ich sage es noch einmal - für Menschen Arbeit mehr ist als Broterwerb, und auch langzeitarbeitslose Menschen haben das Recht, jetzt vom Aufschwung zu profitieren. Dafür sorgt diese Bundesregierung und diese Koalition.
Herzlichen Dank.