- Datum:
- 25.05.2021
RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): Herr Heil, wann erreichen wir auf dem Arbeitsmarkt wieder Vorkrisenniveau?
Hubertus Heil: Wir sind noch im Krisenmodus. Mit Kurzarbeit ist es uns gelungen und kann es uns weiter gelingen, Massenarbeitslosigkeit abzuwenden. Wir haben einen Aufholprozess vor uns, der uns beim Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr auf das Vorkrisenniveau bringen kann. Die Arbeitslosigkeit wird im nächsten Jahr wieder zurückgehen. Wir wollen uns schnell wieder ans Vorkrisenniveau herankämpfen, müssen aber mehr tun, um Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen.
RND: Sie wollen die Regeln zur Kurzarbeit in der Corona-Krise verlängern. Bekommen Sie das in der Koalition auch durch?
Heil: Ja, ich bin froh, dass ich mich durchsetzen konnte und die CDU nicht länger zaudert. Wir verlängern die derzeitigen Regeln der Kurzarbeitergeldverordnung zunächst bis Ende September. Wenn es notwendig ist, werden wir darüber hinaus auch weiter verlängern. Das gibt den Unternehmen in dieser schwierigen Phase Planungssicherheit und Perspektive. Das ist kluge und vorausschauende Krisenpolitik. Kurzarbeit ist die Brücke, mit der wir es über die Krise schaffen. Die Menschen behalten ihre Arbeit, gleichzeitig müssen die Unternehmen nicht erst neu nach Fachkräften suchen, wenn es wieder losgeht.
RND: Der Staat übernimmt zurzeit 100 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge für ausgefallen Arbeitsstunden bei Kurzarbeit. Sie wollen das weiterzahlen – obwohl die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbänd (BDA) für eine Rückführung ist. Warum erfüllen Sie denen nicht einfach den Wunsch, wieder selbst mehr zu zahlen?
Heil: Ich kann der BDA nur empfehlen, sich mal mit ihren Mitgliedsverbänden aus den Branchen zu unterhalten, die besonders stark durch die Corona-Krise getroffen sind. Wir bekommen aus den Branchen – von Reise über Gastronomie- und Eventbranche bis hin zum Handel – das klare Signal, dass diese Hilfe weiter benötigt wird. Die Praktiker vor Ort wissen hier mehr als der Dachverband, der offenbar mehr an ideologischem Streit interessiert ist. Wir haben diese Branchen bis jetzt in der Krise stark gestützt, aber sie werden länger Probleme haben, als andere Bereiche der Wirtschaft. Hier müssen wir klare Perspektiven schaffen und weiter um jeden Arbeitsplatz kämpfen.
RND: Wird der Strukturwandel in Branchen, in denen perspektivisch ohnehin Jobs wegfallen, verschleppt? Das befürchtet ja der Arbeitgeberverband.
Heil: Diese Debatte um angebliche Zombieunternehmen ist Unsinn. Die Herausforderungen durch den Strukturwandel, etwa die Digitalisierung, sind groß – und es wird viel Arbeit, diese Aufgabe nach der Krise zu bewältigen. Mir geht es darum, den Unternehmen mit einer klaren Perspektive durch eine Pandemie zu helfen, für die sie nichts können. Das hat sich im Herbst bewährt, als wir gegen die Unkenrufe aus der CDU die verbesserte Kurzarbeit verlängert haben, und das ist jetzt richtig und wichtig. Darüber hinaus stabilisieren wir mit der Kurzarbeit auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Davon profitiert die gesamte Volkswirtschaft.
RND: Die Bundesregierung hat versprochen, die Bundesagentur für Arbeit Ende des Jahres zu entschulden. Wie viel Geld wird da fällig?
Heil: Kurzarbeit ist teuer, aber Arbeitslosigkeit ist teurer – für die Bundesagentur für Arbeit und für die gesamte Gesellschaft. Dieses Modell ist so erfolgreich, dass der deutsche Begriff "the Kurzarbeit" im Englischen inzwischen ein Lehnwort geworden ist, wie ich zuletzt bei einer digitalen Veranstaltung in Harvard festgestellt habe. Die Verlängerung der Kurzarbeit, die ich jetzt vorschlage, wird rund 2,6 Milliarden Euro zusätzlich kosten. Insgesamt werden wir die Bundesagentur zum Jahreswechsel voraussichtlich um rund 19,6 Milliarden Euro entschulden.