- Datum:
- 25.01.2021
Rheinische Post: Herr Heil, wie oft schaffen Sie es dieser Tage ins Homeoffice?
Hubertus Heil: Ich versuche, immer mal wieder ins Homeoffice zu gehen, auch wenn das im Ministeramt manchmal gar nicht so leicht ist. Ich habe zwei kleine Kinder, die gerade nicht zur Schule gehen. Homeschooling und Homeoffice gehen eigentlich nicht zusammen, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Es ist pandemiebedingt aber notwendig, das Potenzial der Heimarbeit noch stärker zu nutzen.
Rheinische Post: Woher haben Sie eigentlich die Gewissheit, dass die Homeoffice-Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft sind?
Hubertus Heil: Wir wissen, dass sehr viele Arbeitgeber ihren Mitarbeitern Homeoffice bereits anbieten. Uns haben die Expertinnen und Experten vor der Ministerpräsidentenkonferenz aber gesagt, dass da noch Luft nach oben ist. Deshalb schreiben wir ab nächstem Mittwoch vor, dass jeder Arbeitgeber seinen Mitarbeitern ein Homeoffice-Angebot überall dort machen muss, wo keine zwingenden betrieblichen Gründe dagegensprechen. Mehr Homeoffice in der Pandemie ist auch eine Frage der Gerechtigkeit und Solidarität mit anderen: Schulen, Kitas und Restaurants sind geschlossen, ganze Wirtschaftsbereiche wie die Kulturschaffenden können seit Monaten nicht arbeiten. Es geht jetzt darum, wo immer es möglich ist, durch das Unterbrechen von sozialen Kontakten die Infektionszahlen zu senken.
Rheinische Post: Wie wollen Sie die Unternehmen kontrollieren und sanktionieren?
Hubertus Heil: Ich gehe davon aus, dass Unternehmen sich an Recht und Gesetz halten. Die Arbeitsschutzbehörden der einzelnen Länder werden die Homeoffice-Regel natürlich stichprobenartig kontrollieren. Beschäftigte können sich zudem an die Arbeitsschutzbehörden wenden, wenn Unternehmen keine plausible Begründung liefern, warum sie Homeoffice verweigern. Dann sind auch Maßnahmen möglich, die Bußgelder beinhalten.
Rheinische Post: Ist es denkbar, dass Sie die befristete Homeoffice-Pflicht über den 15. März hinaus verlängern?
Hubertus Heil: Das hängt vom Pandemieverlauf ab. Wir gucken rechtzeitig, ob eine Verlängerung über den 15. März hinaus nötig wird. Das Ziel ist zu verhindern, dass wir in einen vollständigen Lockdown unserer Volkswirtschaft kommen. Die Infektionszahlen gehen aktuell zwar zurück, aber wir haben mit den mutierten Viren ein zusätzliches Gesundheitsrisiko. Ich will, dass wir unsere Volkswirtschaft am Laufen halten, und dazu leistet mehr Homeoffice einen wichtigen Beitrag.
Rheinische Post: Sie haben Pläne für eine Reform von Hartz IV vorgelegt. Wie begründen Sie gegenüber einer Krankenschwester, die Steuern zahlen muss und wenig verdient, dass Hartz-IV-Empfänger künftig nicht mehr aus zu großen Wohnungen ausziehen müssen?
Hubertus Heil: Ich will Langzeitarbeitslose durch mehr Qualifizierung dauerhaft aus der Grundsicherung holen. Und die Grundsicherung muss unbürokratischer werden. Wer in die Grundsicherung kommt, soll sich nicht zugleich um seine Wohnung sorgen müssen. Deshalb soll die Angemessenheit der Wohnung in den ersten zwei Jahren in der Grundsicherung nicht geprüft werden.
Rheinische Post: Sie wollen aber auch die Prüfung von Vermögen bis 60.000 Euro aussetzen. Es geht dabei ja auch um Gerechtigkeit. Also noch einmal: Wie erklären Sie das der Steuerzahlerin?
Hubertus Heil: Erstens kostet diese Reform nicht viel. Zweitens sollen sich Menschen in Notsituationen nicht um eine neue Wohnung kümmern müssen, sondern um Arbeit. Wenn sie sich etwas angespart haben, sollen sie das nicht gleich aufbrauchen müssen. Mir geht es um pragmatische Lösungen.
Rheinische Post: Wird die Union da mitmachen?
Hubertus Heil: Die Vereinfachungen beim Zugang zur Grundsicherung in der Pandemie sind bis Ende März befristet. Deshalb werden wir jetzt zügig darüber reden müssen, wie es danach weitergeht. Zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Wenn wir dafür sorgen, dass sie den Berufsabschluss nachholen können, erhöhen wir die Chancen, dass sie anschließend dauerhaft im Job bleiben. Dass das auch gegen den Fachkräftemangel hilft, sollte dem Koalitionspartner einleuchten.
Rheinische Post: Was planen Sie, um Hartz-IV-Empfänger in der Krise zu entlasten?
Hubertus Heil: Die Corona-Pandemie trifft alle Menschen in Deutschland hart. Auch für hilfsbedürftige Menschen in den Grundsicherungssystemen und für Menschen mit sehr geringem Einkommen bedeuten die verlängerten Corona-Maßnahmen zusätzliche soziale Sorgen im Alltag. Es ist deshalb richtig, jetzt zügig einen Zuschuss für coronabedingte Belastungen zur Verfügung zu stellen. Auch die Versorgung von Grundsicherungsempfängern mit FFP2- und OP-Masken muss gesichert werden. Das Bundessozialministerium arbeitet bereits mit Hochdruck an entsprechenden Konzepten, die wir in der Bundesregierung besprechen und in der Koalition verabreden wollen.
Rheinische Post: Es zeichnet sich ab, dass es nach der Rezession im vergangenen Jahr nun 2021 keine Rentenerhöhungen geben wird. Lässt sich das in einem Wahljahr wirklich durchhalten?
Hubertus Heil: Die Rentenentwicklung ist regelgebunden, sie folgt der Lohnentwicklung des Vorjahres. Deshalb gab es in den letzten Jahren kräftige Rentenerhöhungen. Sie haben aber recht – wir müssen damit rechnen, dass es in diesem Jahr im Westen keine Rentenerhöhung geben wird und im Osten nur eine sehr geringe. Wichtig ist, dass gesetzlich abgesichert ist, dass es keine Rentenkürzung geben wird.
Rheinische Post: Brauchen wir in der nächsten Wahlperiode eine Rentenreform, wie sie Unionspolitiker fordern? Muss das Rentenalter an die Lebenserwartung gekoppelt werden?
Hubertus Heil: Wir stehen vor einer großen demografischen Herausforderung. Von 2025 bis 2040 geht die Generation der Babyboomer schrittweise in Rente. In dieser Zeit kommt es auf zwei Dinge an: Zum einen brauchen wir ein hohes Maß an Beschäftigung, damit die Beitragseinnahmen auf hohem Niveau gesichert bleiben. Zum anderen müssen wir das System der Rentenversicherung stabil halten. Ich bin dafür, dass wir die Sicherungslinie beim Rentenniveau von 48 Prozent des durchschnittlichen Bruttomonatsgehalts über 2025 hinaus verlängern.