- Datum:
- 05.10.2020
Bild am Sonntag (BamS): Herr Heil, wie oft arbeiten Sie von zuhause aus?
Hubertus Heil: Am Wochenende arbeite ich oft zuhause. Am Wohnzimmertisch zwischen Spielzeugrittern und Unokarten oder bei gutem Wetter auch auf der Terrasse. Unter der Woche bin ich viel unterwegs und arbeite mobil, da nehme ich Akten mit in den Dienstwagen, im Flugzeug oder der Bahn arbeite ich auf dem Tablet.
Bild am Sonntag (BamS): Im April haben Sie ein Recht auf Homeoffice versprochen. Wann kommt das Gesetz?
Heil: Mein Entwurf für das "Mobile Arbeit Gesetz" ist fertig. Dort, wo es möglich ist, sollen alle Angestellten einen gesetzlichen Anspruch von mindestens 24 Tagen pro Jahr für mobile Arbeit bekommen. Das hilft im Alltag. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen sich dann nicht mehr am Wochenende in die Schlange bei der Post stellen, sondern können das Paket zuhause erhalten. Und für den Handwerkertermin muss man sich auch nicht einen ganzen Tag frei nehmen.
Bild am Sonntag (BamS): Das sind ja nur zwei Tage pro Monat. Ist das nicht viel zu wenig?
Heil: Es ist ein guter Anfang: Arbeitnehmer und Arbeitgeber können natürlich individuell, in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen mehr vereinbaren. Wenn beide Eltern einen Beruf haben, in dem mobiles Arbeiten machbar ist, kann nach meinem Vorschlag jede Woche abwechselnd ein Elternteil einen Tag von zuhause arbeiten. Das erleichtert das Familienleben enorm.
Bild am Sonntag (BamS): Es gibt aber doch verdammt viele Berufe, bei denen Homeoffice nicht möglich ist...
Heil: Ja, es gibt Berufe, wo mobiles Arbeiten nicht möglich ist. Aber seit der Corona-Pandemie erleben wir einen ungeplanten Großversuch. Mehr als ein Drittel der Beschäftigten hat im Frühjahr und Sommer mobil gearbeitet. Das Virus hat uns gelehrt, dass viel mehr mobiles Arbeiten möglich ist als wir dachten. Ein Arzthelfer muss die Patienten natürlich in der Praxis in Empfang nehmen, aber die Abrechnung kann er vielleicht auch daheim erledigen. Mobiles Arbeiten ist nicht nur was für junge Leute aus Agenturen, die mit Laptop und Latte Macchiato im Café sitzen. Weil mobiles Arbeiten schon für einige fest zur modernen Arbeitswelt gehört, aber vielen noch nicht ermöglicht wird, braucht es dafür auch ein Gesetz.
Bild am Sonntag (BamS): Bekommt wirklich jeder ein Recht auf Homeoffice?
Heil: Alle Beschäftigten bekommen das Recht, mit ihrem Chef über mobiles Arbeiten zu verhandeln. Aber natürlich kann ein Bäcker nicht von zuhause aus Brötchen backen. Deshalb kann ein Arbeitgeber den Wunsch nach mobiler Arbeit ablehnen, wenn er dafür nachvollziehbare organisatorische oder betriebliche Gründe hat.
Bild am Sonntag (BamS): Was ist, wenn der Chef mobiles Arbeiten grundsätzlich ablehnt, weil er seine Mitarbeiter lieber im Büro haben will?
Heil: Zu vielen Menschen wird mobiles Arbeiten aus Prinzip verwehrt. Das ist nicht mehr zeitgemäß, hier stärken wir den Arbeitnehmern den Rücken. Als Arbeitgeber einfach nur "Nein" zu sagen, geht dann mit dem Gesetz nicht mehr. Chef und Mitarbeiter werden in Zukunft darüber auf Augenhöhe verhandeln.
Bild am Sonntag (BamS): Welche Vorteile hat das Homeoffice?
Heil: Mehr Lebensqualität und auch mehr Zeit für die Familie. Mobile Arbeit schafft Freiräume in unserer Arbeitswelt und schützt so vor Stress und psychischen Belastungen. Wer von zuhause arbeitet, spart Zeit, weil er nicht im Stau steht. Und er kann seine Arbeit besser an sein Leben anpassen. Das reduziert Stress, macht Mitarbeiter zufriedener, leistungsfähiger und auch gesünder. Das ist gut für die deutsche Wirtschaft.
Bild am Sonntag (BamS): Homeoffice frisst sich oft in den Feierabend und ins Wochenende.
Heil: Ich will klare Regeln für die mobile Arbeit. Arbeit von zuhause darf nicht dazu führen, dass einen die Arbeit gar nicht mehr loslässt. Auch im Homeoffice muss irgendwann Feierabend sein. Deshalb schreibt das Gesetz vor: bei mobiler Arbeit müssen Arbeitszeiten digital dokumentiert werden. Das ist technisch sehr einfach zu lösen, dafür gibt es Apps und Programme.
Bild am Sonntag (BamS): Muss mir mein Arbeitgeber fürs Homeoffice Rechner, Handy, Arbeitsstuhl zur Verfügung stellen?
Heil: Wir wollen das so unbürokratisch wie möglich halten. Manche Mitarbeiter wollen lieber den privaten Laptop nutzen, andere wollen ein Diensthandy. Das sollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber individuell aushandeln. Grundsätzlich muss jeder Arbeitgeber auch heute schon für Arbeitsmittel sorgen. Der Staat soll nur die wichtigsten Rahmenbedingungen wie Arbeitsschutz und Arbeitszeiterfassung festlegen.
Bild am Sonntag (BamS): Gilt die gesetzliche Unfallversicherung auch im Homeoffice?
Heil: Die gesetzliche Unfallversicherung umfasst den Weg zur Arbeit. Auch beim mobilen Arbeiten soll zum Beispiel der Weg zur Kita oder Schule und von dorthin zurück ins Homeoffice versichert sein.
Bild am Sonntag (BamS): Was ist, wenn mein Chef mich ins Homeoffice schicken will, ich aber lieber ins Büro komme?
Heil: Da kann ich beruhigen: Mit meinem Gesetz kann niemand ins Homeoffice gezwungen werden.
Bild am Sonntag (BamS): Die Wirtschaft leidet unter Corona. Ist die Pandemie der richtige Zeitpunkt, jetzt auch noch ein Recht auf mobiles Arbeiten einzuführen?
Heil: Gerade Corona beweist, wie wichtig mobiles Arbeiten für Unternehmen ist. Mobile Arbeit macht Arbeitgeber für Fachkräfte attraktiv. Unser Gesetz hilft dem Arbeitsplatzstandort Deutschland im internationalen Vergleich, moderner und digitaler zu werden.
Bild am Sonntag (BamS): Was sagt der Arbeitsminister: Haben wir den Schlimmsten Teil der Corona-Krise hinter uns oder kommt er noch?
Heil: Wir sichern mit Kurzarbeit Millionen Arbeitsplätze durch die Krise. Der Arbeitsmarkt stabilisiert sich langsam. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Krise ist noch nicht vorbei, und sie beschleunigt den Strukturwandel in vielen Branchen. Ich rechne nicht mit einer blitzartigen Erholung des Arbeitsmarktes. Aber ich habe die realistische Hoffnung, dass der Aufschwung am Arbeitsmarkt im Frühjahr richtig losgeht.