Behr: Sie sind soweit, wir können anfangen?
Heil: Gerne.
Behr: Dies ist eine Geschichte in fünf Kapiteln. Eine wahre Geschichte, die in Deutschland im Jahr 2019 spielt. Es geht um Herrn Jung, der jungen Leuten eine Chance geben will – dabei aber immer wieder an seine Grenzen stößt.
Jung: Da stand jetzt so im Raum, dass das wie ein sprudelnder Brunnen ist und wir einfach ganz viele Leute mobilisieren könnten. Ich würde es mir wünschen.
Behr: Es geht um Herrn Pfeil, der sein Leben plötzlich wieder langfristig planen kann.
Pfeil: Ja, da bin ich aber sehr stolz.
Behr: Es geht um Herrn Beigl, der an den Maschinen unserer Zukunft forscht.
Beigl: Was wir damals gemacht haben, das ist die Revolution, aber wir wussten es gar nicht.
Behr: Es geht um Frau Misselhorn, die Regeln für diese Maschinen aufstellen möchte.
Misselhorn: Soll er einen Marienkäfer einfach einsaugen oder den Käfer verscheuchen bzw. umfahren?
Behr: Und es geht um Herrn Heil, dem ich diese Geschichte erzählen werde. Denn er ist für einen glücklichen Ausgang zuständig. Richtig, Herr Heil?
Heil: Ausgang vielleicht nicht, aber wenn ich mitgeholfen habe, dass beide gewonnen haben, der Arbeitgeber und Herr Leube als Arbeitnehmer, dann freut mich das natürlich.
Behr: Um diese und noch viele andere Menschen wird es in dieser Geschichte gehen. Sie alle werden uns erzählen von ihrer Arbeit, wie sich alles ändert, wie sie damit umgehen und warum wir alle Vertrauen in die Zukunft haben können.
Und wie jede Geschichte hat auch diese eine Überschrift. Sie lautet "Die Zukunft der Arbeit: So qualifiziert sich Deutschland." Ein Podcast vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Mein Name ist Heiko Behr.
Kapitel 1.
Behr: Herr Heil, jetzt kommt mal etwas Ungewohntes auf Sie zu. Würden Sie sich bitte mal vorstellen?
Heil: Mein Name ist Hubertus Heil, ich bin 46 Jahre alt, ich bin Bundesminister für Arbeit und Soziales, verheiratet, zwei Kinder, in Niedersachsen aufgewachsen und jemand, der gerne arbeitet.
Behr: Was bedeutet das?
Heil: Ich arbeite gerne und es ist eine große Ehre, als Bundesarbeitsminister arbeiten zu können. Ich bin seit einer Reihe von Jahren auch Abgeordneter für meinen Wahlkreis in Niedersachsen. Und für das Allgemeinwesen zu arbeiten, die Lebenssituation von Menschen verbessern zu können, das ist schon eine Riesenaufgabe, die mich sehr erfreut.
Behr: Womit genau beschäftigt sich Ihr Ministerium? Wie kann man das eingrenzen?
Heil: Im Kern sagt das schon der Name "Arbeit und Soziales". Es geht um Arbeitsbedingungen, es geht darum, Menschen aus der Arbeitslosigkeit in Beschäftigung zu bringen, es geht aber vor allem auch um die Zukunft der Arbeit. Der Arbeitsmarkt wandelt sich sehr, es geht um Fachkräftesicherung und im Kern geht es auch um den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Die Frage, wie Lohn- und Arbeitsbedingungen sind, wie es mit der Rente steht, ob Menschen mit Behinderungen teilhaben können an Gesellschaft und Arbeitsleben. Ein ganz spannendes Feld. Ich nenne das Arbeitsministerium immer gern die Herzkammer der Bundesregierung, weil es tatsächlich darum geht, dass wir unseren Beitrag leisten, dass dieses Land vorankommt und sozial zusammenbleibt.
Behr: Herr Heil, wir sitzen ja jetzt hier zusammen, weil ich Ihnen eine Geschichte erzählen möchte. In fünf Teilen...
Die Geschichte beginnt in Halle an der Saale, am Rande einer Kleingartenanlage mit dem herrlichen Namen Sanssouci, was übersetzt ja sowas wie "sorgenlos" heißt. Von dort biegt eine Straße ab, die heißt "An der frohen Zukunft". Ich hab sofort gute Laune. Ich laufe an einem fest installierten Schild vorbei, es gibt hier freie Stellen, bei der Firma Banse Haustechnik GmbH. Sanitär, Heizung, Klimatechnik. Ein Handwerksbetrieb. Hier bin ich verabredet.
Herr Leube begrüßt mich. Gleich darauf sein Chef, Herr Jung.
Wir setzen uns in ein Konferenzzimmer. Es sind um die 30 Grad, wir trinken tapfer Kaffee.
Behr: Ich hab gesehen auf dem Weg hierhin, Sie haben ja wirklich ein Schild, das fest da steht. Kein Inserat, sondern Sie suchen im Grunde permanent...
Jung: Zurzeit permanent. Weil alles, was wir so analog gemacht haben, zu verpuffen scheint. Wir haben immer mal in der Zeitung was gemacht, hier in Halle aktiv Messen besucht, Auszubildendenmessen, oder gehen in die Schulen, bieten Praktika an. Insofern ist es uns immer gelungen, 1-2 Lehrlinge zu finden. Es ist das große Ziel, junge Leute im Unternehmen auszubilden, zu fördern und natürlich im Unternehmen zu halten.
Jung: Wir haben die Philosophie, dass wir unsere Mitarbeiter versuchen mitzunehmen. An den entscheidenden Prozessen des Unternehmens in gewisser Weise zu beteiligen.
Behr: Wir bieten im Prinzip Heizungsanlagen, Sanitäranlagen, Gasanlagen, kleinere Lüftungsanlagen. Was ein boomender Sektor ist, gerade bei dem Wetter, ist Klimatisierung von Gebäuden. Da haben wir auch gesagt, wir würden uns der Thematik stellen. Das setzt voraus, dass man sich vom Knowhow bildet und von den Arbeitsgeräten muss man sich aufstellen. Wenn man einen Mann finden würde, der das macht und eigenständig betreiben würde, würden wir diesen Sektor auch anbieten. Aber aus eigenem Personal gibt es einfach die Kapazitäten nicht, sich so einem neuen Sektor zu widmen. Da sind wir wieder beim Thema Mitarbeiter.
Apropos Mitarbeiter, beim Unternehmen arbeiten 25 Leute, 3-4 Auszubildende. Reichlich Aufträge, erzählt mir Herr Jung. Von denen er manche ablehnen muss. Weil er schlichtweg keine neuen Mitarbeiter findet.
Jung: Wir haben vor zehn Jahren viel leichter Handwerker gefunden. Ob das Ausbildung ist oder ob das in einem Einstellungsverhältnis eines fertigen Monteurs ist. Es ist heute schon sehr schwer, qualifiziertes Personal zu finden.
Behr: Es ist offenbar so schwer, wie Herr Leube erzählt, dass schon ziemlich windige Methoden im Arbeitsalltag zum Einsatz kommen...
Leube: Man geht zum Händler, Material einkaufen. Und von einer anderen Firma ist ein Chef gerade dort, weiß nicht, ob er Material einkaufen möchte oder ob er sich dort unterhalten möchte. Und dann bekommt man Angebote mit Stundenlöhnen, jenseits von Gut und Böse, wo man sich fragt, macht das Sinn, so ein hoher Stundenlohn... aber das ist eben die Abwerberei. Das ist schon enorm. – Auch wenn man sich gar nicht kennt. – Ja. – Der Druck ist so hoch, Leute zu finden, dass man diesen Weg sucht. Und wie reagieren Sie darauf? – Ja, ich bin zufrieden hier, so wie es ist. Ich hab das nicht nötig. Geld allein macht auch nicht glücklich, im Endeffekt muss das Umfeld stimmen und man hat sich einen Namen erarbeitet, hat einen festen Standpunkt. Man wechselt und fängt immer bei 0 an. Das ist nicht meine Philosophie...
Behr: Herr Heil, was der Herr Jung hier erzählt, Handwerksbetrieb mit 25 Menschen, die keinen Nachwuchs finden, Headhunting in Halle – können Sie das ein bisschen einordnen, auch im größeren Rahmen auf ganz Deutschland bezogen?
Heil: Wir erleben das in vielen Branchen und Regionen, den Fachkräftemangel, das ist schon eine richtige Wachstumsbremse für viele kleine und mittelständische Unternehmen. Wer in bestimmten Regionen versucht, einen Handwerker zu bekommen, der weiß wovon ich rede. Das hat damit zu tun, dass sich der Altersaufbau im Arbeitsmarkt verändert hat. Es gibt weniger Jüngere, die nachkommen. Es gibt aber auch demnächst immer mehr Ältere, die in Ruhestand gehen. Und deswegen werden Fachkräfte händeringend gesucht. Das liegt auch an der guten wirtschaftlichen Entwicklung, die wir haben. Deshalb müssen wir gucken, dass wir da alle Potentiale nutzen, die wir haben, damit kleine/mittelständische Unternehmen, vor allem auch Handwerk, eine Chance haben, qualifizierte Fachkräfte zu bekommen.
Behr: Kehren wir mal zurück zur Geschichte beim Sanitätsbetrieb Banse. Und zu Herrn Jung und seinem Angestellten Alex Leube. Der hat sich ja noch gar nicht richtig vorgestellt hier...
Leube: Mein Name ist Alexander Leube. 2010 habe ich meine Ausbildung begonnen, 2013 meine Ausbildung beendet, seitdem bin ich hier.
Jung: Der Alex hat bei uns gelernt, hat sich in das Arbeitskollektiv eingegliedert, hat dann signalisiert, dass er auch weiterkommen möchte. Wir zum einen müssen sehen, dass wir die Mitarbeiter vernünftig an uns binden können, zum einen über Qualifizierungsmaßnahmen machen, das betriebliche Umfeld und letztlich über den Lohn. Aber da war die Idee, auf ihn zuzugehen, ob er sich nicht weiterbilden möchte in Form eines höheren Bildungsgrades, d.h. Kundenmonteur. Und das sattelt im Prinzip auf die Berufsausbildung auf, das ist was berufsbegleitendes, die Seminare werden in Vollzeit angeboten. D.h., dass er eine Woche im Monat an dem Seminar teilnimmt und wir ihn eine Woche freistellen dafür.
Leube: Meine Weiterbildung ist zum Kundendiensttechniker, die werde ich beenden mit einer mündlichen, schriftlichen und praktischen Prüfung. Und dann erhoffe ich mir, Wartungen an Geräten vorzunehmen, Geräte einweisen, Abgasmessungen und so, dass Geräte repariert werden. Fehlersuche, Fehleranalyse, Fehlerbehebung. – Wie ist das jetzt? – Jetzt bin ich auch alleine unterwegs, aber ich schwanke zwischen Baustellen, Wartungen Fernmeldestationen.
Behr: Wie kam es zu der Idee der Weiterbildung? Von wem aus kam das?
Leube: Uns wurde angeboten, dass es dieses Angebot gibt. Ich wurde gefragt und gerne, gerne. Weiterbildung gerne. Bringt ja nix auf der Stelle zu treten, man muss sich ja weiterentwickeln, wenn man was erreichen will in seinem Beruf.
Behr: Und dieses Angebot, von dem Herr Leube spricht – wie kam das nun zustande? Und: Wie geht das alles seinen Gang, bürokratisch, habe ich mich gefragt.
Herzlich willkommen in der Agentur für Arbeit in Halle. – Vielen Dank. – Schön, dass das so unkompliziert geklappt hat. – Ja, ich hab zu danken.
Dort sitzt mir der Mann gegenüber, der Herrn Jung und Herrn Leube entscheidend unterstützt hat.
Elze: Mein Name ist Jörg Elze, ich arbeite im Jobcenter in Halle und bin hier sozusagen abgeordnet im gemeinsamen Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit Halle und des Jobcenters Halle, am Standort hier an der Schopenhauer Straße.
Behr: Herr Elze ist unlängst versetzt worden, er hat sich vorher um Jugendliche und Gründungswillige gekümmert, jetzt sind die Arbeitgeber in Halle seine Kunden.
Elze: Hier vermitteln wir, versuchen wir zu vermitteln, wird immer schwerer aufgrund des Fachkräftemangels... – Wie viele Menschen sind das, die Sie betreuen? – Wir können in Unternehmen sprechen, ich habe aktuell 1.000 Unternehmen zu betreuen... – Sie als Einzelperson? – Da muss man abschwächend sagen, wir haben nicht mit allen dieser 1.000 Unternehmen permanent Kontakt, sondern immer wenn der Arbeitgeber eine Stelle aufgibt, dann haben wir den direkten Kontakt oder bei einer Förderanfrage, wie z.B. über die Weiterbildung von Mitarbeitern. Bei einer Einstellung von Mitarbeitern, dass wir prüfen können, ob es möglich ist, denjenigen mit einem Eingliederungszuschuss zu fördern. Oder wenn es in die Langzeitarbeitslosigkeit geht, über das neue Teilhabechancengesetz, darüber zu beraten, ob es möglich ist, die Personen länger zu fördern. Das ist die Hauptaufgabe.
Wir haben direkt mit den Arbeitgebern zu tun, die sind unser Ansprechpartner, wir sind deren Ansprechpartner und wir versuchen uns um alles was Arbeitskräftevermittlung, -förderung und eben -einstellung, versuchen wir uns zu kümmern. Und eben bei der Suche nach geeigneten Mitarbeitern. Das ist mittlerweile eine sehr, sehr schwere Aufgabe. Da den geeigneten Mitarbeiter zu finden. Weil die Leute, die eine ordentliche Ausbildung haben, die sagen, ich möchte in dem Beruf arbeiten, die sind alle im Job unterwegs. Da gibt es kaum noch Leute, die mal hier aufschlagen und sagen, ja, ich bin frei und würde jetzt in einem anderen Betrieb arbeiten. Das ist selten. Auch Wechselwillige, die tangieren uns recht wenig. Die gehen von Job zu Job, ohne dass wir eingeschaltet werden.
Behr: Herr Heil, es gibt eine sogenannte "Fachkräftestrategie der Bundesregierung", in der Sie eine - ich zitiere - "zunehmende Fachkräfteknappheit in einzelnen Branchen für die kommenden zehn bis 20 Jahre" festhalten. Und da auf dreierlei Weise reagieren: deutschlandweit, europaweit und weltweit. Vielleicht konzentrieren wir uns hier auf die sogenannte erste Säule, "inländische Fachkräftepotentiale". Wie wollen Sie vorgehen?
Heil: Es geht darum, dass wir im Inland alle Potentiale ausschöpfen. D.h. möglichst früh dafür zu sorgen, dass junge Menschen in der Schule eine Berufsorientierung bekommen, damit sie wissen, welche Berufe es gibt. Es geht darum, dass alle die Chance bekommen, einen schulischen Abschluss zu machen, um dann ausbildungsfähig zu sein. Es geht auch darum, dass diejenigen, die einen Berufsabschluss verpasst haben, die Chance bekommen, den nachzuholen. Und es geht auch um Weiterbildung. Ausbildung allein wird nicht reichen. Sondern wir müssen gucken wo immer es geht, Pflegehilfskräfte zu qualifizierten Pflegekräften qualifizieren. Und in einzelnen Branchen geht es auch darum, dass die Arbeits- und Lohnbedingungen attraktiver werden. Das betrifft vor allem Dienstleistungsberufe, soziale Dienstleistungsberufe. Weil wir werden in diesen Bereichen immer mehr Menschen brauchen, wir werden eine wachsende Nachfrage im Bereich Gesundheit, Pflege und Bildung haben. In anderen Bereichen ändern sich die beruflichen Anforderungen, durch technologischen Wandel und Fortschritt. Und deshalb ist Weiterbildung auch im Job für die Fachkräftesicherung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ganz, ganz wichtig. Und da setzen wir an.
Behr: Herr Heil, so kommen wir unweigerlich zum Qualifizierungschancengesetz, das seit Anfang des Jahres in Kraft ist. Was wird darin geregelt?
Heil: Der Hintergrund ist zweierlei. Zum einen brauchen wir alle Potentiale, um Fachkräftesicherung zu betreiben – das ist sozusagen Unternehmenssicht. Auf der anderen Seite verändern sich auch die Tätigkeitsanforderungen für Beschäftigte. Damit wir das hinkriegen, müssen wir dafür sorgen, dass auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von heute die Chance haben, die Arbeit von morgen zu machen. Ganz konkret gehen wir davon aus, dass es erstmal Aufgabe der Unternehmen selbst ist, in Qualifizierung und Weiterbildung zu investieren. Wir können aber seit 1. Januar vor allen Dingen auch die kleineren und mittelständischen Unternehmen unterstützen von der Bundesagentur für Arbeit.
Behr: Das ist das Neue...
Heil: Das ist das Neue. Dass wir beispielsweise für Weiterbildungsinvestitionen einen Teil der Kosten übernehmen können, also einen Teil der Qualifizierung und am Arbeitsentgelt, in der Zeit, in der die Menschen qualifiziert werden, das anteilig unterstützen können. Wenn Sie so wollen, ist es ein Hebel für Weiterbildungsinvestitionen. Es nützt den Unternehmen und den Beschäftigten.
Behr: Gehen wir nochmal zurück zum Herrn Elze in der Arbeitsagentur in Halle. In die Praxis. Wie findet er das Gesetz?
Elze: Ich finde das Gesetz nicht schlecht. Das gab es ja schon in einer ähnlichen Form bis Ende letzten Jahres, da hieß das Ganze "Wegebau-Programm" und das war dafür gedacht, bereits angestellte Mitarbeiter weiterzubilden, um drohende Arbeitslosigkeit bzw. den Mangel an speziellen Ausbildungen entgegenzuwirken. Und mit dem Qualifizierungschancengesetz ist das ausgeweitet worden. Und wir haben jetzt im Grunde eine größere Möglichkeit, die Leute zu fördern.
Behr: Leute wie Herrn Leube also. Und nun ans Eingemachte. Und die Details.
Behr: Erzählen Sie mir doch mal, wie der Fall bei Ihnen auf dem Schreibtisch landet...
Elze: Eine Mitarbeiterin von Herrn Jung, Frau Barth, hat sich bei mir gemeldet, telefonisch, mit der Aussage: Ich habe gehört und der Chef war wohl bei einer Veranstaltung, wo das neue Gesetz vorgestellt worden ist und sie möchten darüber eine Beratung haben. Wir sind gleich konkret geworden, weil die Firma hat über 10 Mitarbeiter. Dann habe ich den Fall quasi bei uns technisch ins Rollen gebracht mit dem Anlegen der Mitarbeiter. Weil die Mitarbeiter ja im Normalfall nicht gemeldet sind bzw. nicht registriert sind, müssen sie als Fall angelegt werden. Und dann wird der Antrag und die ganzen Formulare, die gebraucht werden, die werden erstellt.
Behr: Wie aufwändig ist das, also was beinhaltet das?
Elze: Naja, vom Groben her das Formular ist recht einfach, aber die Anlagen, wir müssen ja prüfen, wie groß ist das Unternehmen, was hat der Arbeitnehmer für eine Ausbildung oder ob er überhaupt eine hat.
Das ist erstmal viel, viel, viel Papier, das erstmal auszufüllen ist. Viele Erklärungen, dass die Betriebsgröße stimmig ist, dass der Arbeitnehmer belehrt worden ist, dass der Arbeitgeber belehrt worden ist... Das ist schon sehr komplex das Ganze und deswegen sind wir als Arbeitgeberservice bemüht, alles so konkret wie möglich zu machen und am besten vor Ort.
Wie soll man sagen, man versteht sich als verlängerte Personalabteilung, wir treffen keine Personalentscheidungen in dem Sinne, aber wir nehmen ganz viel Arbeit dem Arbeitgeber ab, weil wir uns um den ganzen Papierkram kümmern.
Behr: Die Arbeitsagentur als verlängerte Personalabteilung. Das ist ein wirklich wichtiger Punkt. Auch Herr Jung und Herr Leube erzählten mir, dass sie sehr dankbar für die Unterstützung beim bürokratischen Akt waren. Der Aufwand ist – so die Erfahrung aller Beteiligten – gerade für kleinere Unternehmen so deutlich leichter zu stemmen. Die Arbeit der Arbeitsagentur ist in diesem Fall also eher begleitender Natur...
Behr: Also ob der Herr Leube der Richtige ist, das entscheiden Sie nicht, das ist die Entscheidung von Herrn Jung...
Elze: Im Unternehmen ist das die Entscheidung von Herrn Jung. In diesem Fall war es wohl so, dass der Herr Leube selbst auf die Idee gekommen ist. Und die zeitliche Schiene war, dass Ende April die Förderanfrage kam von der Firma Banse und dass am 20. Mai dann schon die Weiterbildung begonnen hat.
Behr: Ach so, das ist ja doch ein relativ kurzer Zeitraum.
Elze: Ja, relativ kurz, wenn man bedenkt, was man alles so regeln muss und regeln sollte. So haben wir uns Anfang Mai das erste Mal getroffen mit Erklärung, Ausgeben des Bildungsgutscheins und, und, und. Und dann die nächste Woche wieder, wo ich die ganzen ausgefüllten Unterlagen eingesammelt habe, geschaut ob alles dabei ist, alles ordentlich ausgefüllt..., weil wir ja auch den Leuten, die die Weiterbildung besuchen, ihnen die Fahrtkosten erstatten, also wir als Agentur für Arbeit, und da müssen natürlich die ganzen Anträge ordentlich ausgefüllt sein. Und da kommt auch noch mit rein, wenn es einen erhöhten Betreuungsaufwand für die Kinder gibt, weil die Weiterbildung nachmittags um 4 beginnt und bis abends 18 Uhr geht und Kinder im Spiel sind und eventuell Alleinerziehend oder eventuell der Partner in Schichten geht, hat man einen erhöhten Aufwand an Kinderbetreuungskosten, die können dann auch mit übernommen werden.
Behr: Herr Heil, ist das eine Zusammenfassung in Ihrem Sinne? Wie kommt das bei Ihnen an, wenn Sie das hören?
Heil: Das ist ein gutes Beispiel, so soll es laufen. Ich finde, dass jemand von der Arbeitsagentur wie Herr Elze die Funktion hat, für beide Seiten ein Lotse zu sein. Weist als Unternehmerservice daraufhin, welche Möglichkeiten es gibt, hilft aber auch den Beschäftigten, dass er das wirklich machen kann, die notwendige Unterstützung zu bekommen. Und am Ende haben alle was davon. Nämlich der Arbeitgeber eine ordentliche Fachkraft, da geht es ja konkret darum, dass der Herr Leube vom Anlagenmechaniker zum Kundendienstmonteur sich weiterbilden möchte und damit das in der Praxis funktioniert, muss man eine ganze Menge betrachten. Zum Beispiel, wie ist das mit Kinderbetreuung, welche Unterstützung braucht man da? Weiterbildung ist anstrengend, aber damit sie sich lohnt, müssen wir Menschen gut unterstützen und deshalb ist das ein sehr gutes Beispiel.
Behr: Übrigens für Herrn Elze auch, ich habe ihn gefragt, wie das war, die Betreuung von Herrn Leube. Und er hat erzählt, er sei geradezu euphorisch gewesen als die Zusage kam, dass das alles klappt und er tatsächlich diese Weiterbildung machen kann. Also man merkt, es kommt auch emotional bei den Menschen an.
Heil: Ich erleb das auch. Mein Ziel ist, dass wir die Bundesagentur für Arbeit langfristig weiterentwickeln. In sowas wie eine Agentur für Arbeit und Qualifizierung. Da geht’s darum, dass wir in diesem Wandel, der da ist, Arbeitslosigkeit verhindern, möglichst bevor sie entsteht, indem wir Weiterbildung ermöglichen, die Beschäftigungsfähigkeit sichern, sozialen Aufstieg ermöglichen, auch beruflichen Aufstieg. Und das ist ein ganz gutes Beispiel. Es geht nicht nur darum, Menschen in Arbeitslosigkeit gut zu unterstützen, was die soziale Unterstützung betrifft, möglichst rauszuholen. Sondern es geht immer mehr darum, auch die Beschäftigten in den Blick zu nehmen und die Unternehmen. Was brauchen beide, dass Menschen beschäftigungsfähig bleiben und die Unternehmen entsprechende Fachkräfte bekommen?
Behr: Wir haben heute also im ersten Kapitel die Geschichte eines Mannes gehört, der sich gedacht hat: da geht doch noch mehr bei mir. Der sich weiterbildet. In einer Firma, die ihn bei allem voll unterstützt. Und einer Arbeitsagentur, die bei der Bürokratie hilft. Ein neues Leben, mit neuer Arbeit.
Im zweiten Kapitel dieser fünfteiligen Geschichte treffen wir auf Herrn Pfeil. Der jahrelang zwischen Zeitarbeit und Arbeitslosigkeit pendelte – und wenig Probleme damit hatte.
Pfeil: Nee, das hat mich tatsächlich nicht gestört. Ich konnte auch mit Arbeitslosengeld II leben, zwar nicht so pralle, also Obst war nicht drin, aber das ging schon. Ich hab es immer alles auf mich zukommen lassen.
Behr: Wie sich sein Leben geändert hat, von Grund auf, und warum plötzlich alle auf ihn stolz sind? Das erzählt er uns im 2. Kapitel von "Die Zukunft der Arbeit: So qualifiziert sich Deutschland.". Ein Podcast vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Mein Name ist Heiko Behr.