- Überblick und Datenlage
- Mittelfrist- und Langfristprognose
- Schlussfolgerungen der Mittelfristprognose bis 2029
- Schlussfolgerungen der Szenarien über die Erhöhung des Arbeitskräftepotenzials
- Zukünftige Herausforderungen
Kurzüberblick:
- Die Mittelfristprognose des Fachkräftemonitorings nimmt die Arbeitsmarktströme von Arbeitskräfteangebot und -bedarf für 2025 bis 2029 detailliert in den Blick.
- Die Szenarienrechnungen geben eine Einschätzung zu den ungenutzten Potenzialen bei Frauen, Nicht-Deutschen und Älteren für die Fachkräftesicherung in 5, 10 und 15 Jahren.
Überblick und Datenlage
Das Fachkräftemonitoring für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) schätzt plausible mittel- und langfristige Fachkräftebedarfe sowie wahrscheinliche Fachkräfteengpässe und Fachkräfteüberschüsse in Berufsgruppen ab, auf Grundlage der aktuellen Welle der Qualifikations- und Berufsprojektionen (Qube-Projekt). Das Fachkräftemonitoring für das BMAS baut auf dem wissenschaftlich unabhängigen Projekt "Qualifikation und Beruf in der Zukunft" auf, das solche Projektionen bereits seit 2007 unter der gemeinsamen Leitung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) erstellt. Das Fachkräftemonitoring für das BMAS berücksichtigt zusätzliche Annahmen – zu einer beschleunigten Digitalisierung, zum Klimawandel, zur Zeiten- und Energiewende sowie die größeren Unsicherheiten bezogen auf die möglichen Entwicklungen des Außenhandels (Zollpolitik der USA). Diese Annahmen werden regelmäßig mit einem wissenschaftlichen Projektbeirat, der wesentlicher Teil des Fachkräftemonitorings für das BMAS ist, diskutiert und erst anschließend final gesetzt.
Der wissenschaftliche Projektbeirat für das Fachkräftemonitoring berät bei der Weiterentwicklung des Analyseinstruments und bringt interdisziplinäre Sichtweisen ein.
Wissenschaftlicher Projektbeirat für das Fachkräftemonitoring
Das Fachkräftemonitoring ist eine zentrale empirische Referenz in der fachkräftepolitischen Diskussion in Deutschland und zugleich Grundlage für die Fachkräftestrategie der Bundesregierung. Es zeigt auf, in welchen Berufsgruppen künftig Arbeitsplätze wegfallen oder neu entstehen können und wie sich Neuzugänge aus dem Bildungs- und Ausbildungssystem, Übergänge in den Ruhestand und die berufliche Mobilität entwickeln.
Mittelfrist- und Langfristprognose
Mit der Mittelfristprognose wird seit ihrem erstmaligen Erscheinen im Jahr 2021 für den Zeitraum von fünf Jahren die Lücke zwischen der Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit (aktuelle Fachkräftesituation) und den Langfristprognosen (10-20 Jahre) geschlossen.
Die Langfristprognose blickt mindestens 15 bis 20 Jahre in die Zukunft und wird aktuell in der 8. Welle vom QuBe-Projekt veröffentlicht. Sie eignet sich, um den Strukturwandel, z.B. ausgelöst durch die Digitalisierung, zu verdeutlichen. Die Mittelfristprognose nimmt hingegen die Arbeitsmarktströme für die jeweils kommenden fünf Jahre (aktuell: 2025 bis 2029) in den Blick und identifiziert Fokusberufe. Dies sind Berufsgruppen, in denen sich in den kommenden Jahren Engpässe oder Überhänge von Arbeitskräfteangebot und -nachfrage ergeben.
Fachkräftemonitoring für das BMAS – Mittelfristprognose bis 2029
Schlussfolgerungen der Mittelfristprognose bis 2029
Die in diesem Bericht beschriebene Mittelfristprognose im Rahmen des Fachkräftemonitorings für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nimmt die Arbeitsmarktströme für die kommenden fünf Jahre (2025 bis 2029) in den Blick – mit dem Ziel, mögliche berufliche Passungsprobleme frühzeitig zu identifizieren. Aus der Analyse ergeben sich folgende Kernaussagen.
Risiko Außenhandel
Die Exporte in die USA werden aufgrund der Exportzölle in ihrer Dynamik nicht so schnell wieder erstarken. Solange neue Märkte noch gesucht werden, werden daher die europäischen Märkte wieder wichtiger. Und auch in Deutschland ist es vor allem die Binnennachfrage, die an Bedeutung gewinnen wird.
Infrastruktur und Verteidigung lösen Wachstumsimpuls aus
Mit der Änderung des Grundgesetzes in Bezug auf Verteidigung, Infrastruktur und Schuldenregel für die Bundesländer im Frühjahr 2025 wird ein nie dagewesener Investitionsimpuls für die Wirtschaft in Deutschland ausgelöst, der maßgeblich zum Wirtschaftswachstum der kommenden Jahre beiträgt und damit die Risiken im Außenhandel in der mittleren Frist kompensieren kann. Das Produzierende Gewerbe kann relativ zu den übrigen Branchen wieder erstarken und seit langen wieder Anteilszugewinne bei der preisbereinigten Produktion erzielen.
Arbeitsmarkt als Engstelle begreifen
Um die Wirkung des Investitionsimpulses zu stützen, sollte der Arbeitsmarkt bei den kommenden Projekten zu Infrastruktur und Verteidigung stets mitgedacht werden. Die Wachstumsimpulse im Produzierenden Gewerbe (insbesondere Metallerzeugnisse, sonstiger Fahrzeugbau, Baugewerbe und Energie) treffen auf ein schrumpfendes Arbeitsangebot. Damit sich die Wirkung der Investitionen auch langfristig entfalten kann, muss es gelingen, mehr Personen oder Stunden für den Arbeitsmarkt zu aktivieren und diese produktiver einzusetzen (z. B. durch Digitalisierung, effizientere Planungsvorgänge). Eine erhöhte Erwerbsbeteiligung Älterer erhöht das Arbeitskräfteangebot nur für einen kurzen Zeitraum, da selbst nach einer Ausweitung der Lebensarbeitszeit die Baby-Boomer den Arbeitsmarkt verlassen. Eine erhöhte Erwerbsbeteiligung von Frauen insbesondere aber von Personen ausländischer Nationalität wirkt sich auch längerfristig positiv auf das Arbeitskräfteangebot aus (Zika u. a., 2024).
Zeit ist ein kritischer Faktor
Entscheidend ist, stets die operativen Fähigkeiten (bei Planung und Umsetzung von Projekten) von Bund, Ländern und Kommunen zu stärken, damit die eingesetzten Mittel effizient Wirkung entfalten können. Insbesondere bei Infrastrukturvorhaben bedarf es einer Priorisierung und verlässlichen Planung.
Voraussetzung für Wachstum verbessern
Die hohen Verteidigungsausgaben haben mittel- und langfristig umso größere Wirkungen auf die ökonomische Entwicklung, je besser der Wechsel zwischen „militärischen“ und „zivilen“ Arbeitsstätten funktioniert. Die Bundeswehr könnte als Bildungsträger weiter gestärkt werden. Der Übergang u. a. von der Bundeswehr in den zivilen Arbeitsmarkt oder auch die übergreifende Verwendbarkeit von Forschungsergebnissen oder Produkten („Dual use“) stützen das Gelingen. Dabei die technologische Forschung und Entwicklung seitens des Staates zu befördern, verbessert auch langfristige Wachstumsaussichten (Schnitzer und Weber, 2025).
Produzierendes Gewerbe in Konkurrenz
Von den zusätzlichen Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung profitiert das Produzierende Gewerbe maßgeblich (Metallerzeugnisse, sonstiger Fahrzeugbau und auch Baugewerbe). Fachkräfteengpässe können die Umsetzung von militärischen Projekten und Bauprojekten zumindest verzögern. Daher müssen Unternehmen naheliegende und damit schnelle Lösungen suchen und Branchenwechsel, z. B. vom Arbeitsplätze abbauenden Fahrzeugbau in die wachsenden Branchen begleiten.
Migration
In den kommenden Jahren wird der Saldo aus Zahlen der Zu- und Abgewanderten eines Jahres den Alterungseffekt in der innerdeutschen Bevölkerung nicht mehr kompensieren können. Die Zahl der Menschen in Deutschland insgesamt, aber auch vor allem die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter, sinkt. Abhilfe könnte gezielte, v. a. qualifizierte, Einwanderung schaffen. Dringlich sind aber auch weitere Verbesserungen bei der Integration in Bildung und in den Arbeitsmarkt der in Deutschland bereits lebenden Zugewanderten. Sprachkompetenzen sind entscheidend für den Erwerb und die Anerkennung beruflicher Qualifikationen (Maier, Kalinowski, Krinitz 2024). Eine formale berufliche Qualifizierung erhöht die Chancen auf
Erwerbstätigkeit und kann dazu beitragen, Abwanderung zu vermindern.
Arbeitskräfteengpässe
Die Zahl der Berufe mit Arbeitskräfteengpässen wird stark zunehmen. Es werden 41 Fokusberufe mit Engpässen identifiziert. Die Mehrheit der Berufe wird von Fachkrafttätigkeiten dominiert. Obwohl in diesen Berufsgruppen im Prognosezeitraum sogar Arbeitsplätze abgebaut werden, werden trotzdem Engpässe erwartet. Das Ausscheiden der Baby-BoomerGeneration bei gleichzeitig nachrückenden Generationen mit kleinerer Jahrgangsstärke bedingt, dass Arbeitsplätze nicht besetzt werden können. Auf der Fachkraftebene werden bis 2029 rund 530 000 Personen fehlen. Zusätzlich zum Arbeitskräfterückgang werden die immensen Investitionen aus dem Infrastruktur- und Verteidigungspaket die Nachfrage nach Arbeitskräften in
einigen Bauberufen und im Verarbeitenden Gewerbe ansteigen lassen. Gleichzeitig bleibt die Nachfrage im IT- und Gesundheitsbereich unverändert hoch.
Weiterbildung gezielt einsetzen
Weiterbildung kann nicht nur bei Kompetenzerweiterungen oder Branchenwechsel zur gezielten Förderung der beruflichen Leistungsfähigkeit und Flexibilität genutzt werden. Sie wird
insbesondere auch von Personen ohne beruflichen Abschluss benötigt, um einen Berufsabschluss nachzuholen. Dies wird mit Blick auf die Anforderungsniveaus deutlich: Sollten nicht genügend Arbeitskräfte mit den entsprechenden
Qualifikationsniveaus vor Ort verfügbar sein, dürfte der Mismatch auf dem Arbeitsmarkt zwischen den Qualifikationsniveaus der Arbeitskräfte und den Anforderungsniveaus der Stellen weiter zunehmen.
Schlussfolgerungen der Szenarien über die Erhöhung des Arbeitskräftepotenzials
Dieser Bericht zeigt die Auswirkungen von vier separaten Szenarienrechnungen auf den Arbeitsmarkt. Das Szenario 1 („Frauen“) nimmt die Auswirkungen einer gesteigerten Erwerbsquote von Frauen um 10 Prozent in den Blick. Im Szenario 2 („Ältere“) wird die Erwerbsquote der 55- bis 60- Jährigen und 60- bis 65-Jährigen auf die Erwerbsquote der jeweils vorangehenden Altersgruppe (50- bis 55-Jährige bzw. 55- bis 60-Jährige) und in Szenario 3 („nichtdeutsche Staatsangehörige“) wird die Erwerbsquote der Personen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit auf das Niveau von Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit angehoben. Szenario 4 („Wunscharbeitszeit“) analysiert die Arbeitsmarktauswirkungen, wenn alle Erwerbspersonen ihre Wunscharbeitszeiten ausüben würden. Die Szenarien liefern keinen Aufschluss darüber, wie eine Erhöhung der Erwerbsquoten erreicht werden kann, sondern zeigen das Potenzial für etwaige Maßnahmen.
Potenzial zur Besetzung von offenen Stellen nach fünf, zehn und fünfzehn Jahren, in Tausend Personen
Wie die Abbildung verdeutlicht, ist nach fünf Jahren das Potenzial zur Besetzung von offenen Stellen bei einer um zehn Prozent höheren Erwerbsbeteiligung bei Frauen mit rund 430 Tausend Personen fast genauso groß wie bei einer höheren Erwerbsbeteiligung von Personen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit (380 Tausend Personen) und Älteren (460 Tausend Personen). Bei Szenario 1 („Frauen“) und Szenario 2 („Ältere“) reduziert sich zwar dieses Potenzial im Zeitablauf, bei den Älteren jedoch sehr viel stärker; der Altersruhestand kann nur vorübergehend aufgeschoben werden. Im dritten Szenario („nichtdeutsche Staatsangehörige“) steigt hingegen das Potenzial über den Zeitverlauf, da der Anteil der Bevölkerung mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit zunimmt und die Personengruppe vergleichsweise jung ist. Bei einer Realisierung der Wunscharbeitszeiten bleibt dagegen das Potenzial zur Besetzung von offenen Stellen über die Jahre nahezu unverändert. Allerdings kann aus der Abbildung nicht geschlossen werden, dass sich die Zahl der offenen Stellen infolge einer höheren Erwerbsbeteiligung innerhalb von fünf Jahren um rund 400 Tausend Personen verringern ließe. Denn der tatsächliche Effekt hängt auch von der Passung zwischen den individuellen und den am Arbeitsmarkt nachgefragten Fähigkeiten sowie regionaler Passungsprobleme zwischen Wohnort der Person und Ort der angebotenen Stelle ab.
Zukünftige Herausforderungen
Passungsprobleme in einigen Berufsgruppen
Grundsätzliche Hauptherausforderungen sind Passungsprobleme am Arbeitsmarkt, bedingt durch die zunehmende Gleichzeitigkeit von Fachkräfteengpässen in einigen Berufsgruppen und Regionen und Arbeitsplatzabbau in anderen Berufsgruppen und Regionen ("wachsendes Fachkräfteparadox").
Passungsprobleme verursachen in der Regel volkswirtschaftliche Kosten: Arbeitsuchende müssen ihren Wohnort wechseln, ihre Qualifikation anpassen, Zugeständnisse bei den Arbeitsbedingungen machen oder länger erwerbslos bleiben. Betriebe müssen auf Aufträge verzichten, ihre Produktion umstellen oder ihre Arbeitsbedingungen verändern.
Strukturwandel
Berufliche Engpässe werden sich aufgrund des "3-D" des Strukturwandels (Demografie, Digitalisierung, Dekarbonisierung) verstärken.
- Hierbei wirkt der doppelte Effekt des demografischen Wandels: die durch Übergang in den Ruhestand frei werdende Arbeitsplätze können nicht mehr ausreichend mit Nachwuchs besetzt werden und es werden noch mehr Fachkräfte in Berufsgruppen mit steigender Nachfrage und hohem Ersatzbedarf benötigt, von informationstechnischen Berufen bis hin zu Gesundheit und Pflege. Vielfach bestehen hier bereits heute gravierende Engpässe.
Zusätzlich wirkt der demografische Wandel auch regional unterschiedlich: So wird die sinkende Zahl der Menschen im jüngeren Alter und die gleichzeitig steigende Zahl älterer Menschen insbesondere strukturschwache Arbeitsmarktregionen treffen und dort zu verstärkten Fachkräfteengpässen führen, insbesondere in Ostdeutschland. - Die Digitalisierung führt einerseits über Automatisierung zu Arbeitsplatzabbau, z.B. im Einzelhandel und bei Banken und Versicherungen. Neue Technologien erweitern andererseits die Kompetenzbedarfe in vielen Berufen, die IT-Wissen erfordern.
- Als zusätzlicher Effekt wirken die Dekarbonisierung und damit verbundene Klimaschutzmaßnahmen auf den Arbeitsmarkt: Berufe für Energie- und Gebäudetechnik sowie am Bau werden zur Erreichung der Klimaziele in den kommenden Jahren personell vor besonderen Herausforderung stehen.
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