Soziale Entschädigung

Infos über die Stiftung

Was war die Stiftung?

Die Stiftung Anerkennung und Hilfe hat in den Jahren 2017 bis 2022 Menschen unterstützt, die in der Zeit vom 23. Mai 1949 bis zum 31. Dezember 1975 in der Bundesrepublik Deutschland bzw. vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990 in der ehemaligen DDR als Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe oder stationären psychiatrischen Einrichtungen untergebracht waren, dort Leid und Unrecht erfahren haben und zum Zeitpunkt der Anmeldung noch an den Folgen gelitten haben.

Geschichte

Sie wurde zum 1. Januar 2017 errichtet. Alle Anmeldungen, die innerhalb der mehrfach verlängerten Anmeldefrist bis zum 30. Juni 2021 eingegangen waren, sind bis zum 31. Dezember 2022 geprüft und abschließend bearbeitet worden.

Ziel

Ziel der Stiftung war die Anerkennung des während der Unterbringung erlittenen Leids und erlebten Unrechts sowie die Abmilderung noch bestehender Folgewirkungen zur Verbesserung der Lebenssituation.

Zusammensetzung

Die Stiftung wurde von Bund, Ländern und Kirchen errichtet (Errichter der Stiftung; siehe unten). Sie hatte einen Lenkungsausschuss, einen überregionalen Fachbeirat, eine Geschäftsstelle und regionale Anlauf- und Beratungsstellen.

Lenkungsausschuss

Der Lenkungsausschuss bestand aus 12 Mitgliedern und setzte sich zusammen aus Vertreterinnen und Vertretern der Errichter der Stiftung (Bund, Länder und Kirchen) sowie aus Vertreterinnen und Vertretern von Betroffenen, deren Interessensvertreterinnen und Interessensvertretern und Sachverständigen (entsendet vom überregionalen Fachbeirat). Er nahm die Aufgabe der Steuerung und Kontrolle der Stiftung für die Errichter wahr und entschied sowohl in Grundsatzangelegenheiten als auch in besonderen Einzelfällen.

Überregionaler Fachbeirat

Der überregionale Fachbeirat aus neun ehrenamtlich tätigen Mitgliedern (Betroffene, Interessensvertreterinnen und Vertretern und Sachverständige) unterstützte die Stiftung. Eine zentrale Aufgabe des überregionalen Fachbeirats war es, den Lenkungsausschuss fachlich zu beraten und die Anlauf- und Beratungsstellen mit seinem Expertenwissen zu unterstützen.

Anlauf- und Beratungsstellen in den Ländern

Ansprechpartner für Betroffene waren die Anlauf- und Beratungsstellen in den Ländern. Eine zentrale Aufgabe der Anlauf- und Beratungsstellen war es, Betroffene zu beraten, sie bei dem Prozess der persönlichen Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte zu begleiten, ihnen ein Gespräch anzubieten und sie bei der Anmeldung zu unterstützen. Die Beratung erfolgte unter bestimmten Voraussetzungen auch aufsuchend.

Rolle des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

Die Geschäftsstelle der Stiftung war an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales angegliedert. Sie hat das Stiftungsvermögen verwaltet und die Leistungen erbracht. Außerdem hat sie den Kontakt und Austausch mit den Anlauf- und Beratungsstellen gepflegt sowie Hinweise zu einer möglichst bundeseinheitlichen Beratungspraxis gegeben.

Errichter der Stiftung

Wer konnte sich anmelden?

Anmelden konnten sich Personen, die als Kinder oder Jugendliche während der Unterbringung in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe bzw. der Psychiatrie Leid und Unrecht erfahren hatten und zum Zeitpunkt der Anmeldung bei der Stiftung noch an Folgewirkungen litten.

Es handelte sich einerseits um Personen, die im Zeitraum zwischen dem ersten Lebensjahr und dem vollendeten 18. bzw. 21. Lebensjahr (Volljährigkeit) in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe bzw. Psychiatrie untergebracht waren.

Auf der linken Seite ist die Karte der heutigen Bundesrepublik mit den historischen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland (BRD) zu sehen. Für dieses Gebiet gilt eine Unterbringung zwischen dem 23. Mai 1949 und dem 31. Dezember 1975.

Auf der rechten Seite ist die Karte der heutigen Bundesrepublik mit den historischen Grenzen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zu sehen. Für dieses Gebiet gilt eine Unterbringung zwischen dem 7. Oktober 1949 und dem 2. Oktober 1990.

Zudem ging es um Personen, die während ihrer Unterbringung individuelles Leid und Unrecht erfahren hatten und noch zum Zeitpunkt der Anmeldung unter daraus resultierenden Folgewirkungen litten

und / oder

Personen, die im Zeitram zwischen dem vollendeten 14. Lebensjahr und dem vollendeten 18. bzw. 21. Lebensjahr (Volljährigkeit) in der bzw. für die Einrichtung gearbeitet hatten, ohne dass für sie Sozialversicherungsbeiträge gezahlt worden waren.

Was ist mit Leid und Unrecht gemeint?

Erfahrungen von Leid und Unrecht sind individuell geprägt, weshalb ihrer Schilderung eine wichtige Bedeutung zukam. Das Erlebte konnte z. B. in Zusammenhang stehen mit

  • körperlicher Gewalt, z. B. durch Betreuungspersonal oder andere Kinder und Jugendliche,
  • psychischer Gewalt, z. B. Demütigung, Fremdbestimmung, Zuschreibung negativer Rollen, Miterleben belastender Situationen,
  • sexualisierter Gewalt, z. B. durch Betreuungspersonal oder andere Kinder und Jugendliche,
  • Verweigerung von Schul- und Ausbildung,
  • der Arbeitsleistung, z. B. Arbeit ohne Lohn,
  • der gesundheitlichen Versorgung und Ernährung, z. B. Mangelernährung, Schlafentzug.

Diese Erfahrungen wirken oft ein Leben lang nach. Die zum Zeitpunkt der Anmeldung noch bestehenden Folgewirkungen der verschiedenen Typen von Leid und Unrecht sowie einer z. B. unzureichenden gesundheitlichen Versorgung reichten von körperlichen bis psychischen Beeinträchtigungen wie Traumatisierungen, Depressionen oder Schlafstörungen. Ein verweigerter oder erschwerter Zugang zu Bildung konnte zu fehlender Schulbildung und frühzeitiger Erwerbslosigkeit führen. Ebenso bedeuteten nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge finanzielle Nachteile bei der Rente.

Welche Einrichtungen sind gemeint?

Zur damaligen Zeit war weder in der Bundesrepublik Deutschland noch in der DDR die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in stationären Einrichtungen einheitlich geregelt. Zudem gab es viele Bezeichnungen für die verschiedenen Einrichtungen. Daher musste zunächst im Gespräch mit der Anlauf- und Beratungsstelle geklärt werden, ob eine Einrichtung in die Zuständigkeit der Stiftung fiel.

Als stationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe galten grundsätzlich nichtklinische Einrichtungen zur Betreuung, Förderung oder Pflege von Menschen mit Behinderungen, in denen sich die Bewohnerinnen und Bewohner in der Regel tagsüber und nachts aufhielten und die alle Lebensbereiche (Wohnen, Arbeit, Freizeit) umfassten. Beispielsweise:

  • Wohnheime und Wohnstätten mit oder ohne Tagesstruktur,
  • Schulen mit angeschlossenem Internatsbetrieb,
  • Heime bzw. Anstalten der geschlossenen Erziehungsfürsorge (vor 1962 in der Bundesrepublik Deutschland),
  • Sonderschulheime, (Alten-)Pflegeheime mit Plätzen für Menschen mit Behinderung.

Als stationäre Einrichtungen der Psychiatrie galten grundsätzlich psychiatrische Krankenhäuser zur stationären Behandlung psychisch kranker Menschen in offenen oder geschlossenen Stationen, in denen sich die Patientinnen und Patienten in der Regel tagsüber und nachts aufhielten und die sie ohne Einwilligung der Leitung nicht verlassen konnten, z. B.:

  • Kinderkliniken bzw. Allgemeinkrankenhäuser mit psychosomatisch-psychotherapeutischen Abteilungen oder Stationen,
  • Universitätskliniken mit Abteilungen oder Stationen der Kinder- und Jugendpsychiatrie bzw. Kinderneuropsychiatrie,
  • psychiatrische Fachkrankenhäuser mit Abteilungen oder Stationen für Kinder und Jugendliche bzw. Bezirkskliniken für Neuropsychiatrie.

In beiden Bereichen konnte es sich sowohl um öffentliche und kirchliche Einrichtungen als auch um Einrichtungen freier und privater Träger handeln.

Wie unterstützte die Stiftung?

Die Stiftung unterstützte mit folgenden Anerkennungs- und Unterstützungsleistungen:

Öffentliche Anerkennung

Die Stiftung thematisierte die Geschehnisse in betroffenen Einrichtungen öffentlich und machte somit in der Gesellschaft darauf aufmerksam. Bund, Länder und Kirchen erkannten auf diese Weise die Missstände und Versäumnisse der Vergangenheit an und kommunizierten sie umfänglich. Nähere Informationen hierzu finden Sie unter Anerkennung und Erinnerung.

Anerkennung durch wissenschaftliche Aufarbeitunglevel=3

Begleitend zur Arbeit der Stiftung wurden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beauftragt, die damaligen Geschehnisse aufzuarbeiten und die Ergebnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise wurden die Vorkommnisse in vielen Einrichtungen erstmals intensiv beleuchtet und öffentlich sichtbar; Art und Umfang des Leids und Unrechts wurden nachvollziehbar. Nähere Informationen zur wissenschaftlichen Aufarbeitung finden Sie im Bereich Aufarbeitung.

Individuelle Anerkennung und finanzielle Hilfe

Qualifizierte Beraterinnen und Berater in den Anlauf- und Beratungsstellen unterstützten die Betroffenen in persönlichen Gesprächen bei der Aufarbeitung der Erlebnisse.

Darüber hinaus wurde eine einmalige Geldpauschale ausgezahlt, sofern die Voraussetzungen dafür erfüllt und nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht worden sind. Diese sollte die Folgewirkungen des Erlebten abmildern und damit einen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation leisten.

Betroffene, die während ihres Aufenthaltes in der Einrichtung sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben, ohne dass die Einrichtung dafür Sozialversicherungsbeiträge gezahlt hat, konnten einen Ausgleich für entgangene Rentenansprüche erhalten (Rentenersatzleistung).

Folgende Beträge konnten ausgezahlt werden:

  • eine einmalige Geldleistung von 9.000 Euro zur selbstbestimmten Verwendung,
  • eine einmalige Rentenersatzleistung von 5.000 Euro für sozialversicherungspflichtige Arbeit von mehr als zwei Jahren,
  • eine einmalige Rentenersatzleistung von 3.000 Euro für sozialversicherungspflichtige Arbeit von bis zu zwei Jahren.

Abschlussbericht

Der Lenkungsausschuss der Stiftung Anerkennung und Hilfe hat einen Abschlussbericht über die Arbeit der Stiftung Anerkennung und Hilfe erstellt.

Den Bericht können Sie hier herunterladen.

Über die Arbeit der Stiftung Anerkennung und Hilfe.

Über die Arbeit der Stiftung Anerkennung und Hilfe.

Informationen über die Stiftung in Deutscher Gebärdensprache (DGS)